Information zur Sonnenfinsternis am 20. März 2015
In den letzten Tagen wurde in der Presse einiges zur bevorstehenden partiellen Sonnenfinsternis am 20. März 2015 und den möglichen negativen Auswirkungen auf die Sicherheit der Stromversorgung berichtet. Herbert Saurugg, MSc und Dr. Franz Hein möchten mit dieser Sonderinformation erreichen, dass Ihre Achtsamkeit auf aus deren Sicht sinnvolle Vorsorgemaßnahmen gerichtet werden kann. Keinesfalls aber möchten sie jedoch Ängste schüren oder sich an Spekulationen möglicher Folgen von Ausfällen der Stromversorgung beteiligen.
Die Netzbetreiber, allen voran die europäischen Übertragungsnetzbetreiber, bereiten sich umfangreich auf dieses Szenario vor. Denn die zu meisternden Herausforderungen sind tatsächlich beachtlich und haben bisher nicht gewohnte Dimensionen. Zum einen ist es ein Ereignis, das alle europäischen Länder betrifft. Es fängt mit einer raschen Leistungsminderung an, da die Photovoltaikanlagen fortschreitend von Portugal über Mitteleuropa hinweg bis Polen infolge zunehmender Bedeckung der Sonne durch den Mond weniger einspeisen werden. Zum anderen werden Leistungsanstiege besonders gegen Ende der Sonnenfinsternis und zeitlich nahe dem Sonnenhöchststand auftreten, die mit einer absolut ungewohnten Leistungsänderungsgeschwindig-keit die Netzregelung extrem beanspruchen.
Bei bedecktem Himmel hingegen sind die Beanspruchungen deutlich geringer. Die Situation verschärfen würden allerdings z. B. zusätzliche Windeinspeisungen gegen Ende der Sonnenfinsternis. Nicht absehbar sind sonstige Widrigkeiten wie Ausfälle von Infrastrukturen (Leitungen, Transformatoren) oder ungeplantes Verhalten von Kraftwerken. Alles Planbare wie die Vorhaltung zusätzlicher Regelungsmöglichkeiten und das Vermeiden von Infrastrukturarbeiten oder zu hohen Auslastungen der Be-triebsmittel wird sicher geschehen. Es bleibt aber ein Rest von Unsicherheit und damit ein erhöhtes Ausfallrisiko des gesamten europäischen Netzes. Das wäre dann nicht vergleichbar mit bisherigen Ausfällen, die meist „nur" einzelne Länder oder Gegenden betrafen. Deshalb wäre auch ein Wiederaufbau des europäischen Netzes zu meistern, was es in dieser Größenordnung bisher nicht gab und auch nicht vernünftig geübt werden kann.
Die zwar geringe Wahrscheinlichkeit ergibt zusammen mit der Größenordnung des auftretenden Schadens durch eine so umfangreich ausgefallene Stromversorgung eben doch ein Ausfallszenario, das umfangreiche Überlegungen erfordert, was jetzt vorbereitet werden müsste, um im schlimmsten Falle einen Ausfall und die Folge-auswirkungen überstehen zu können.
Die Sonne geht doch jeden Tag auf und unter, warum sollte dann eine partielle Sonnenfinsternis ein Problem darstellen, werden sich viele von Ihnen fragen. Das ist grundsätzlich richtig, nur steckt das Problem wie so oft im Detail. Das Stichwort heißt Leistungsänderungsgeschwindigkeit. Die Sonne kommt nach der Sonnenfinsternis viel rascher als beim täglichen Sonnenaufgang wieder zurück, und damit steigt die Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen wesentlich rascher. Hinzu kommt, dass die Sonne dann auch noch höher steht und daher noch mehr PV-Strom erzeugt wird. Und das wird zu einer gewaltigen Herausforderung, diese kurzfristigen Leistungsänderungen auszuregeln. Denn konventionelle Kraftwerke können auch nur mit begrenzten Änderungsgeschwindigkeiten nachgeregelt werden. Abschaltung im vollen Betrieb führen zu extremen Beanspruchungen, die sonst nur bei Schutzauslösungen vorkommen. Am besten können noch Pumpspeicherkraftwerke solche raschen Änderungen vollziehen. Rein rechnerisch geht sich das alles gut aus.
Jedoch haben die Komponenten der Netzinfrastruktur auch physikalische Grenzen, was bei kurzfristigen Schwankungen und Überlastungen zu Ausfällen und im schlimmsten Fall zu Dominoeffekten führen kann. Daher reicht es bei weitem nicht aus, dass sich nur die E-Wirtschaft über die möglichen Folgen eines Ausfalls Gedanken macht und sich darauf vorbereitet. Denn sollte es zum gefürchteten europaweiten Stromausfall ("Blackout") kommen, dann zieht das unmittelbar einen weitreichenden Infrastrukturkollaps nach sich. Während man in Österreich rund einen halben Tag für einen möglichen Netzwiederaufbau veranschlagt, rechnet man in Deutschland mit mehreren Tagen. Das europäische Verbundsystem funktioniert aber nur im Ganzen. Und auch wenn der Strom wieder da ist, kehrt noch lange keine Normalität ein, da dann erst die anderen Infrastrukturen wieder hochgefahren werden müssen. Wir sind verwundbar, ohne dass uns das in der Regel bewusst ist.
Ein 24-stündiger Ausfall am 20. März wird für Österreich mit einem Primärschaden von rund einer Milliarde Euro beziffert ( http://www.blackout-simulator.com). Diese Kalkulationen berücksichtigen keine Sekundärschäden, die wohl noch deutlich höher liegen dürften. Die aktuelle deutsche Studie Neue Erkenntnisse zur Lagerfähigkeit von Brennstoffen für Netzersatzanlagen‚ kommt zum Schluss, dass bei 60 % der Netzersatzanlagen der Brennstoff zum Zeitpunkt der Probennahme oder in naher Zukunft nicht mehr verwendbar war bzw. dass nur bei 8 % der Netzersatzanlagen der Brennstoff uneingeschränkt verwendbar ist. Das bedeutet, dass auch jene Organisationen und Institutionen mit massiven Ausfällen rechnen müssen, die sich eigentlich gegen dieses Szenario abgesichert haben.
Sollte der 20. März ein sonniger wolkenfreier Tag werden, und das kann man erst wenige Tage vorher abschätzen, dann ist alles andere als Entspannung angesagt. Die partielle Sonnenfinsternis ist ein europaweit einschneidendes Ereignis (siehe Details unter Sonnenfinsternis 2015 bzw. Sonderinformation 20. März 2015).
Auf einen europaweiten Stromausfall ist die Bevölkerung in keinem europäischen Land vorbereitet. Das hat nicht zuletzt auch die Sicherheitsverbundsübung 2014 in der Schweiz mehr als deutlich gemacht. Und das gilt aufgrund langjähriger Erfahrung mit dem Szenario ‚Blackout‘ ebenso in Österreich und sicherlich auch in Deutschland.
Wir haben jetzt noch etwas mehr als 2 Wochen Zeit, um uns zumindest mit ein paar Grundfragen auseinanderzusetzen. All das durchaus mit der Möglichkeit, dass wir den 20. März wie schon öfters dank der hervorragenden Arbeit der Netzbetriebsmannschaften unbeschadet überstehen. Sollte doch etwas Unvorhergesehenes eintreten, wären wir zumindest nicht völlig unvorbereitet, was einfach nur grob fahrlässig wä-re. Gerade die persönliche Vorbereitung wird dabei häufig unterschätzt (siehe Was kann ICH tun?).
Es liegt jetzt auch an Ihnen als Medienvertreter, ob und wie die Bevölkerung über diese Sachverhalte informiert wird. Eine Panikmache wäre kontraproduktiv, genauso wie das Vorspiegeln einer Scheinsicherheit, oder schlimmer noch, ein unzulässiges Verharmlosen, was einer Volksverdummung gleich käme. Es ist längst an der Zeit, durch fundierte Informationen ein Anwachsen der Mitverantwortung für die so wich-tige Infrastruktur der Stromversorgung in unserer Bevölkerung zu bewirken. Die be-vorstehende Sonnenfinsternis ist eine gute Gelegenheit und sie ist ein Prüfstein
Für den Inhalt verantwortlich: Herbert Saurugg, MSc und Dr. Franz Hein
Dr. Franz Hein, jetzt Rentner, war leitender Mitarbeiter eines größeren deutschen Energieversorgungsunternehmens. Dort war er ab 1973 über 19 Jahre lang für die Prozessleittechnik beim Übertragungsnetzbetreiber dieses EVU verantwortlich. Herbert Saurugg, Initiator der zivilgesellschaftlichen Initiative ‚Plötzlich Blackout!‚ – Vorbereitung auf einen europaweiten Stromausfall – versucht seit Jahren auf die steigende Gefahr eines europaweiten Blackouts, sowie den damit verbundenen Folgen, aufmerksam zu machen.