Europa am 8. Jänner 2021 knapp am Blackout vorbeigeschrammt & erste Analysen
Zahlreiche Medien, aber auch Energieversorger, berichten darüber, dass Europa am Freitag, dem 8. Jänner 2021, offenbar nur knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt ist. Per 16. Jänner 2021 Nachtrag einer ersten Analyse von Austrian Power Grid AG eingefügt.
Eine kurzfristige Störung ist gegen 14 Uhr an diesem Tag offensichtlich durch einen „lokalen“ Stromausfall in fast ganz Siebenbürgen in Rumänien aufgetraten. Bei dem Ereignis kam es zu einem kritischen Frequenzeinbruch und einer Netzaufsplittung im europäischen Verbundsystem. „Der Normalbereich (49,8 – 50,2 Hz) wurde dabei erstmals seit dem 4. November 2006 mit 49,746 Hz unterschritten und stellt damit die zweitschwerste Großstörung im europäischen Verbundsystem (ENTSO-E RG-CE) dar“, heißt von Herbrt Saurugg als Fachmann in dem Bereich.
2006 hatte die Abschaltung zweier Hochspannungsleitungen in Deutschland zu einem Frequenzabfall geführt. Daraufhin fiel in mehreren europäischen Ländern der Strom aus, was jedoch am 8. Jänner 2021 nicht passiert ist. Aber es soll knapp gewesen sein.
Störung im europäischen Stromnetz
Im synchronisierten europäischen Hochspannungs-Stromnetz ist es Freitagnachmittag um 14:05 zu einer Störung gekommen, welche zu einer Unterfrequenz in Europa mit einer kurzfristigen Frequenzabweichung von rd. 260 mHz geführt hat. Die Detailanalyse des Störungshergangs ist noch im Laufen, der Ausgangspunkt lag jedenfalls außerhalb Österreichs. Dank der funktionierenden europaweit etablierten Schutzmechanismen sowie der umgehenden und abgestimmten Zusammenarbeit der Übertragungsnetzbetreiber konnte der Normalbetrieb für ganz Europa bereits innerhalb rd. einer Stunde wieder hergestellt werden.
Aussendung Austrian Power Grid AG
Blackout-Gefahr: Wiener Kraftwerke im Feuerwehr-Modus
Europa schrammt knapp an flächendeckendem Stromausfall vorbei – Wien Energie-Kraftwerke immer öfter zur Stabilisierung im Einsatz, langfristige Planungssicherheit fehlt
Am Freitag ist Europa laut Übertragungsnetzbetreiber APG knapp einem Blackout entkommen. Eine starke Frequenzabsenkung brachte das Stromnetz ins Schwanken. Das Sicherheitsnetz hat gegriffen, zahlreiche Kraftwerke in ganz Österreich haben sofort Energie zur Netzstabilisierung nachgeliefert. Einmal mehr zeigte sich, wie wichtig die Netzreserve und damit die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen von Wien Energie sind. Sie laufen aktuell auf Hochtouren, um eine solche Situation zu verhindern.
„Wie die Feuerwehr stehen unsere Kraftwerke rund um die Uhr bereit und helfen aus, wenn es im heimischen Stromnetz brennt. Am Freitag haben wir wieder einmal gesehen, wie wichtig diese Bereitschaft ist. Unsere Kraftwerke sind das Sicherheitsnetz für eine erfolgreiche Energiewende!“, so Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl.
Kurz vor Weihnachten hatte das Parlament eine Neuregelung der Netzreserve beschlossen. Damit wurde fürs Erste Rechtssicherheit geschaffen. Für eine langfristige Vorhaltung sind allerdings weiter viele Fragen für die Betreiber offen. „Versorgungssicherheit und Planungssicherheit gehen Hand in Hand. Wir brauchen eine faire Regelung, entsprechende Abgeltungen und Sicherheit für Investitionen in die Instandhaltung oder den Neubau von Kraftwerken. Feuerwehr-Einsätze sind langfristig kein tragfähiges Geschäftsmodell“, betont Strebl.
„Not-Einsätze“ nehmen massiv zu
Der vermehrte Ausbau von erneuerbaren Energien und damit die volatile Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom führt dazu, dass die Stromnetze immer stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind. Die Anzahl der Not-Einsätze nimmt drastisch zu. Musste Wien Energie bis vor wenigen Jahren nur rund 15 Mal die Stromerzeugung kurzfristig hochfahren, war dies in den letzten Jahren bis zu 240 Mal pro Jahr für die Netzstabilisierung der Fall.
Wien Energie investiert 1,2 Milliarden Euro in Klimaschutz-Lösungen, gleichzeitig bleibt die Versorgungssicherheit oberste Priorität. Gaskraftwerke, die schnell und ohne äußere Einflussfaktoren wie das Wetter, sofort liefern können, sind dafür essenziell. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wie die Kraftwerke Simmering und Donaustadt nutzen den eingesetzten Brennstoff hocheffizient, sie liefern neben der Strom-Erzeugung auch Wärme. Mittelfristig strebt Wien Energie die Umstellung auf Grünes Gas an.
Aussendung Wien Energie GmbH, 10.01.2021
Europäische Kooperation sichert Stromnetz
Erste Ergebnisse der Analyse vom Frequenzabfall am 8. Jänner 2021.
Fireworldupdate per 16. Jänner 2021
Wien (15. Jänner 2021) – Erste Analysen auf europäischer Ebene durch die Dachorganisation der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) bestätigen, dass am 8.1.2021 ein Split des europäischen Stromnetzes zum Frequenzeinbruch in Österreich geführt hat. Zunächst verursachten um ca. 14:05 kurz aufeinander folgende Ausfälle (Kaskade) von Netzbetriebsmitteln (zum Beispiel Leitungen) in Südost-Europa eine Auftrennung des Netzgebietes von Kontinental-Europa in zwei Gebiete. Die Trennlinie führte durch die Länder Kroatien, Serbien und Rumänien (siehe Grafik).
Das Gebiet südlich davon hatte zu diesem Zeitpunkt Erzeugungsüberschüsse, welche aufgrund der ausgefallenen Leitungsverbindungen nicht mehr in den Zentralraum Europas transportiert werden konnten. Ein Frequenzanstieg in Südosteuropa auf bis zu 50,6 Hz (Abweichung um 600 mHz) mit anschließender Reduktion der lokalen Erzeugungsleistung war die Folge.
Umgekehrt verhielt es sich im nördlichen Gebiet, zu welchem auch Österreich zählte. Hier fehlten nach dem Netzsplit die Erzeugungsmengen aus Südosteuropa. Dieses Leistungsdefizit ließ die Frequenz auf 49,74 Hz (Abweichung um 260 mHz) absinken, ehe man mit zusätzlicher lokaler Erzeugung bzw. mit Verbrauchsreduktion sowie Importen aus Großbritannien und Skandinavien die Frequenz wieder stabilisieren konnte.
Der exakte Grund für die Ausfälle der Betriebsmittel, die zu dem Split geführt haben, ist zurzeit Gegenstand weiterer Ermittlungen in den europäischen Expertengremien der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der europäischen Dachorganisation der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E). Zu diesem Zweck müssen große Datenmengen aus den SCADA- bzw. Schutzsystemen aus allen Ländern zusammengetragen und analysiert werden. Die Energiewende bzw. die erneuerbaren Energieträger stehen aus heutiger Sicht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 8.1.2021 (siehe https://www.entsoe.eu/news-events/news/).
Europäische Kooperation hat sich voll bewährt
Im Fall einer derartigen Störung setzen automatisierte und europaweit abgestimmte „procedures“ ein. Durch automatische Schutzeinrichtungen und dem unverzüglichen Eingreifen aller Übertragungsnetzbetreiber durch das Wartenpersonal konnte die Frequenz stabilisiert und wieder auf das normale Betriebsniveau zurückgeführt werden. Die wesentlichsten Maßnahmen, die im Gebiet der Unterfrequenz zur Frequenzanhebung gesetzt wurden, sind:
- Abschaltung kontrahierter Stromverbraucher (rd. 1.700 MW in Frankreich und Italien). Hier handelt es sich um Verbraucher, welche gegen Abgeltung einer präventiven Abschaltung in solchen Fällen zustimmen. Im konkreten Fall handelte es sich demnach nicht um einen klassischen automatischen Lastabwurf von Endkunden, welcher erst bei größeren Frequenzabweichungen (ab 1.000 mHz) zum Tragen käme.
- Anfahren kurzfristig verfügbarer Kraftwerksreserven in verschiedensten Ländern. Neben der auf Frequenzabweichungen automatisch reagierenden Primärregelleistung aller Länder wurden in Österreich auch weitere Kraftwerksreserven aktiviert.
- Kurzfristige zusätzliche Stromtransporte von Großbritannien und Skandinavien nach Kontinentaleuropa in der Höhe von 480 MW.
Durch diese Maßnahmen und die damit einhergehende Wiederherstellung des normalen Betriebsniveaus von 50Hz (Sollfrequenz) konnten die beiden Netzinseln um 15:08 wieder synchronisiert und anschließend zusammengeschalten werden.
Die Europäische Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und die Koordinierung hat ausgezeichnet funktioniert. Innerhalb von einer Stunde konnte der Normalbetrieb wiederhergestellt werden. Das zeigt, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit im Sinne eines europäischen Schutzmechanismus ist. Auch die lessons learned aus dem ähnlich gelagerten Störfall am 4.11.2006 haben sich bestens bewährt, darunter insb. ein europäisches „Awareness System“ in dem sich durch vordefinierte Meldungen und graphische Darstellung / Warnungen alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber in Echtzeit stets am letzten Informationsstand halten.
Ein genereller Ausblick in die Stromzukunft: Herausfordernde Netzsituationen in der Zeit der Transformation des Energie- und Stromsystems
Digitalisierung, Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die wesentlichen Treiber der Veränderung des Energiesystems. Um diese Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig die sichere Stromversorgung nachhaltig gewährleisten zu können, ist es notwendig, das Stromsystem ganzheitlich zu entwickeln und Kapazitätsreserven in verschiedenen Bereichen des Stromsystems zu halten bzw. neu zu schaffen.
Dafür braucht es:
- zusätzliche Netzkapazitäten (umgehender Ausbau der Netzinfrastruktur in Österreich und Europa)
- zusätzliche Speicherkapazitäten
- ausreichende Kraftwerksreserven
- zusätzliche Flexibilitätsoptionen, um die Volatilitäten der Erneuerbaren auszugleichen (insbesondere mittels digitaler Technologien)
Mit derartig geschaffenen Kapazitätsreserven können Risiken reduziert und Vorfällen wie dem in der vergangenen Woche präventiv begegnet werden. Andererseits kann damit auch die Integration der erneuerbaren Energien nachhaltig gewährleistet werden. Somit sind diese Kapazitätsreserven die Grundlage eines sicheren und ökologischen Stromsystems und damit Grundlage für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich und Europa.
Über Austrian Power Grid (APG)
Austrian Power Grid (APG) ist Österreichs unabhängiger Stromnetzbetreiber, der das überregionale Stromtransportnetz steuert und verantwortet. Die Infrastruktur der APG sichert die Stromversorgung Österreichs und ist somit die Lebensader Österreichs, der Bevölkerung und seiner Unternehmen. Das APG-Netz erstreckt sich auf einer Trassenlänge von etwa 3.400 km, welches das Unternehmen mit einem Team von rund 600 Spezialistinnen und Spezialisten betreibt, instand hält und laufend den steigenden Anforderungen seitens Wirtschaft und Gesellschaft anpasst. Die Kapazitäten des Stromnetzes der APG sind die Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Mitarbeiter entwickeln die geeigneten Marktprodukte, beherrschen die Physik und garantieren Sicherheit und Effizienz für Österreich. Mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 357 Millionen Euro für den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur 2021 gibt APG der heimischen Bauindustrie einen kräftigen Impuls. Insgesamt wird APG rund 3,1 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren in den Netzaus- und Umbau investieren. Das sind rund 17 Prozent der insgesamt 18 Milliarden Euro, die die E-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren in den Netzausbau investieren wird. Beim Sustainable Brand Rating 2020 wird APG in der Kategorie Versorgungs-Infrastruktur auf Platz eins gewählt, im Gesamtrating der Kategorie Investment auf Platz zwei.