Italien: Gondelabsturz in Waldstück bei der Stresa-Mottarone-Seilbahn → 14 Tote
STRESA (ITALIEN): Schweres Seilbahnunglück am frühen Nachmittag des 23. Mai 2021 im Norden Italiens. Eine Gondel der Seilbahn, die Stresa mit dem Mottarone verbindet, ist 100 Meter von der letzten Stütze vor der Bergsstationaus großer Höhe von – Berichten zufolge – bis zu 20 m abgestürzt. Die Zahl der Todesopfer ist im Laufe der Rettungs- und Bergearbeiten von anfangs acht auf zuletzt 14 angestiegen.
Letztes Update: 26. Mai 2021, 10.30 Uhr (Seitenende): Geständnis: Notbremse wurde manipuliert
In der bis zu 40 Personen fassenden Kabine der abgestürzten Seilbahn befanden sich den vorliegenden Informationen zufolge 15 Personen. Zwei Kinder im Alter von 5 und 9 Jahren konnten als Einzige gerettet und im kritischen Zustand ins Krankenhaus nach Turin gebracht werden. „Wahrscheinlich ist der einzige Grund, warum die beiden Kinder noch am Leben sind, dass die Eltern sie festhielten, indem sie sich für die Kinder zum Schutzschild machten“,hieß es in einem Tweet auf Twitter.
9-jähriger Junge im Krankenhaus verstorben
La Repubblica berichtet am Abend: „Leider ist der Neunjährige im Krankenhaus schlussendlich ebenfalls verstorben. Wir haben alles getan, was wir konnten, aber nach ein paar Stunden hat er es nicht geschafft“, sagte der Geschäftsführer des Krankenhauses. Der 5-Jährige hat mehrere Kopf- und Brusttraumata und Frakturen an den Beinen. Er war bei Bewusstsein, als ihn der Krankenwagen aus dem Hubschrauber, mit dem er vom Mottarone ankam, und zum Eingang des Krankenhauses brachte.
100 m von der letzten Stütze
Laut Corriere Del Tricino brach gegen 13 Uhr eines der Stützseile, als die Kabine 100 Meter von der letzten Seilstütze vor der Ankunftsstation entfernt war, an einem der höchsten Punkte der Strecke, die vom Lago Maggiore aus in einer Höhe von 1.491 Metern liegt. Bei der ersten Rekonstruktion „hat sich das Trägerkabel auf der Höhe der letzten Säule gelöst“, berichtet „La Repubblica“ am Abend. Obwohl es Sicherheitsvorrichtungen geben sollte, hat sich die Gondel gelöst.
Absturz im unwegsamen Gelände
Die Kabine stürzte aus relativ großer Höhe in einem bewaldeten, unweghaften Abschnitt ein, wo Rettungsarbeiten nicht einfach sind und es eine Weile gedauert hat, die Unfallstelle zu erreichen. Feuerwehrleute des Provinzkommandos Verbania sind ebenfalls mit einem Feuerwehrhubschrauber im Einsatz. „Die Seilbahnkabine stürzte von einem relativ hohen Punkt und blieb am Fuße eines großen Waldes auf dem Boden liegen. Jetzt liegt sie weitgehend zerstört auf dem Boden“, wird Walter Milan von der Bergwacht in den Medien zitiert. Zeugen sahen, wie die Kabine schnell zurückfuhr, an gegen die Stütze krachte und dann nach unten kiptte und abstürzte.
Nach und nach wurde man im Zuge der Arbeiten auf weitere Opfer aufmerksam, sodass sich die Zahlen leider nach und nach von 8 auf 13 gesteigert haben (darunter auch ein zweijähriges Kind), bis zuletzt auch einer der beiden ins Krankenhaus eingelieferten Buben seinen Verletzungen erlegen ist und die Opferzahlen auf traurige 14 Menschen steigen hat lassen.
Die Mottarone-Seilbahn wurde am 24. April 2021 nach der Schließung aufgrund von Covid-Beschränkungen wieder eröffnet. Eine 20-minütige Panoramafahrt bringt sowohl Einheimische aber auch viele Touristen aus der bekannten Stadt Stresa am Lago Maggiore auf den Gipel des Mottarona-Gebirges.
Seilbahn 2014 – 2016 saniert
Die Seilbahn war zwischen 2014 und 2016 mit einem Aufwand von vier Millionen US-Dollar saniert worden. Die außerordentliche Wartung sah eine Reihe von Arbeiten vor, darunter den Austausch von Motoren, Schalttafeln, elektronischen Geräten und Transformatoren.
Feuerwehrfahrzeug überschlagen
Auf dem Weg zum Mottarone überschlug sich ein Feuerwehrfahrzeug, aber keiner der Retter wurde verletzt. Straßen, die zum Gipfel führen, wurden gesperrt. Der Weg zur Einsatzstelle selbst war auch für die Feuerwehr nicht einfach, da Teile des Seils über die Zufahrt gelegen haben.
Feuerwachen-Eröffnung ausgesetzt
Die für 24. Mai 2021 geplante Eröffnung der Feuerwache in Giugliano in Kampanienwird ausgesetzt. Nach der Tragödie waren sich die Veranstalter einig, dass sie abgesagt werden mussten. „Eine Entscheidung, die von der Achtung der Opfer des Unfalls an der Seilbahn Mottarone in Stresa bestimmt wird. – erklärt der Abgeordnete Salvatore Micillo gegenüber des „Il Mattino“. Mein größtes Beileid gilt den Familien der Opfer.“ Die Eröffnung der Feuerwehr in Lago Patria wird somit auf einen anderen Termin verschoben.
Sofortige und zahlreiche Reaktionen in der politischen Welt
„Der tragische Unfall an der Seilbahn Stresa-Mottarone weckt tiefe Trauer für die Opfer und große Angst für diejenigen, die in diesen Stunden um ihr Leben kämpfen. Ich bringe den betroffenen Familien und den trauernden Gemeinschaften die Teilnahme ganz Italiens zum Ausdruck. Hinzu kommtdie Forderung nach strikter Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen für alle Bedingungen, die den Personenverkehr betreffen.“ So Präsident Sergio Mattarella in einer Notiz.
„Heute ist ein Tag der Trauer für das ganze Land: Die Tragödie der Seilbahn auf dem Mottarone herzzerreißend ist das Herz aller Italiener. Ich spreche den armen unschuldigen Opfern und all meiner Nähe zu den Familien, die von diesem schrecklichen Drama betroffen sind, mein Beileid aus. Ein emotionaler Gedanke an die Kinder, die um ihr Leben kämpfen, Italien steht ihnen hoffnungsvoll zur Seite. Den Bergrettungs- und Höhlenrettungsteams, die mit Feuerwehr und Carabinieri zusammenarbeiten, ist ein pflichtvoller Dank zu auszusprechen“, sagte Senatspräsidentin Elisabetta Casellati gegenüber Il Giorno.
Beileid auch von Innenministerin Luciana Lamorgese: „Ich bringe meine tiefe Trauer um die Opfer des sehr schweren Unfalls zum Ausdruck. Ich danke allen Rettungskräften, die sofort interveniert haben und mit den Spitzen der Abteilung für Feuerwehr, öffentliche Hilfe und Zivilschutz und dem Präfekten von Verbano, Cusio Ossola, in Kontakt stehen.“
Update 25. Mai 2021
Wie mehrere Medien am 25. Mai 2021 berichten, hat sich der Zustand des 5-Jährigen als einzig Überlebener des Unglücks verbessert. Das Kind soll den Gondelabsturz, bei dem er fast alle Angehörigen (Eltern, Großeltern väterlicher Seite sowie seinen zweijährigen Bruder) verloren hat, ohne Hirnschädigung überstanden haben und heute aus dem Koma aufgeweckt werden. Er ist zwar den Ärzten zufolge noch nicht über den Berg, es bestünde aber große Zuversicht.
Laut Bericht des ORF soll das Südtiroler Unternehmen bei der letzten Kontrollwartung im November 2020 keine Unregelmäßigkeiten festgestellt haben. Ein Kabelriss als auch die nicht funktionierenden Notbremssysteme haben zum Absturz der Gondel aus 20 m Höhe ins steile Gelände geführt haben.
Erinnerung an Militärjet-Unglück mit 20 Toten
Die Tragödie vom 23. Mai 2021 erinnert an ein weiteres Seilbahnunglück, dass sich ebenfalls in Norditalien abgespielt hat. Am 3. Februar 1998 kappte ein US-Militärjet im Tiefflug mit dem Seitenleitwerk das Seil einer Seilbahn in Cavalese. Das mit vier Personen besetztes US-Kampfflugzeug vom Typ EA-6B Prowler einer Staffel aus North Carolina flog im Tiefflug das Fleimstal entlang. Vorgeschrieben war dort eine Mindestflughöhe von 2000 Fuß (etwa 600 Metern). Ein Tieffluggebiet, in dem Flüge bis zu 150 Meter Höhe erlaubt gewesen wären, war nicht ausgewiesen.Um eine Erlaubnis für den Übungsflug durch die engen Dolomitentäler zu erhalten, machte die Besatzung gegenüber der Luftsicherheitsbehörde falsche Angaben. Das Flugzeug war zudem mit über 800 km/h zu schnell unterwegs (eine Geschwindigkeit von 250 kt, umgerechnet 463 km/h, wäre legal gewesen und die Besatzung missachtete laut Wikipedia-Bericht weitere Vorschriften.
Um 15:13 Uhr Ortszeit durchtrennte das Flugzeug mit dem sogenannten Wing Fold, einem Gelenk der rechten Tragfläche, das Tragseil und das Ballast-Zugseil der Seilbahn in einer Höhe von 110 Metern über dem Boden. Die Maschine war zum Zeitpunkt der Kollision in einer Kurvenlage. Die massiven Strukturen um den Bereich des Wing Folds verhinderten, dass das Tragseil die Tragfläche abtrennte. Die Maschine konnte den Flug im sogenannten Notstand fortsetzen und beenden. Die talwärts fahrende Gondel hingegen befand sich etwa 300 Meter von der Talstation und 40 bis 50 Meter oberhalb des Durchtrennungspunktes und stürzte aus etwa 100 Metern in die Tiefe. Der Sturz riss 20 Menschen in den Tod.
Sicherheitsbremse im Visier
Wie die „Gazetta del Sud“ am 25. Mai 2021 berichtet, brach ein Zugseil der Gondel, aber die ganze Aufmerksamkeit konzentriert sich nun darauf, warum die Notbremse nicht automatisch gewirkt hat. Am Vortag hatte es einen kleinen Ausfall gegeben, der dazu geführt hatte, dass die Seilbahn für etwa 30 Minuten, vielleicht eine Stunde, anhielt. „Wir waren schon oben, wir gingen zurück zum Bahnhof, um auszusteigen. Uns wurde gesagt, dass es eine Verzögerung gab. Nach 20 Minuten stiegen wir in die Kabine und oben waren zwei Techniker“, sagt ein Zeuge gegenüber der Zeitung. „Um 17 Uhr hatten wir die Rückfahrt, aber der Typ, der die Anlage betrieb, sagte uns, dass es eine Verzögerung geben würde, weil eine Reparatur durchgeführt werden würde „, erklärt Nello, ein weiterer Zeuge, der am 22. Mai im Mottarone anwesend war. „Bevor sie an Bord gingen, sagten sie einem Kind: ‚Heute haben wir es repariert, morgen wirst du sehen‘, und sie diskutierten über ein Pad, das sie nicht ausziehen konnten“, fügt er hinzu.
Der Fehler wird laut der Zeitung auch von der Staatsanwaltschaft bestätigt. „Also wurde uns berichtet: Die Seilbahn blieb stecken und es gab eine Reparatur, um sie wieder in Betrieb zu nehmen. Ob dies mit dem Vorfall zusammenhängt oder nicht, wissen wir noch nicht“, sagte die Staatsanwaltschaft von Verbania, Olimpia Bossi, die die Untersuchung des Falles koordiniert. Derzeit gibt es noch keine Personen, die in das Ermittlungsregister eingetragen sind: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mehrfachen Totschlags, schwerer Körperverletzung und Totschlags. Unterdessen haben carabinieri der Firma Stresa damit begonnen, Unterlagen über die verschiedenen Mitverwaltungsstellen und -akteure zu erwerben.
Nach einigen Bildern, die unmittelbar nach dem Unfall aufgenommen wurden, würde eine eingelegte ‚Gabel‘ die Bremse verriegeln darstellen: „Die Hypothese von Gabel und menschlichem Versagen ist Teil der Untersuchungen, aber nicht in Videos zu finden, die nicht einmal von ausgezeichneter Qualität sind“, präzisierte die Bossi-Beschaffungsstelle. „Alles wurde abgedeckt und gefunden, wir berühren nichts, bis die Techniker eingreifen“, fügte die Staatsanwältin hinzu.
Informazione.it schreibt: „Die Bremse würde eine rote Metallhalterung ausschalten, die die Mitarbeiter umgangssprachlich „Gabel“ nennen. Was einige Spekulationen offen lässt: „Die zweite Gabel könnte während des Unfalls weggesprungen sein“, sagt der Ingenieur — oder sie wurde vielleicht nie eingesetzt.“ Unter die Lupe genommen wird übrigens ein Video, das von der Kamera in der Bergstation aufgenommen wurde und den Vorfall zeigt. Das Wrack mit den geborgenen Kabeln und Material wird Gegenstand der Gutachten sein, die der Richter wahrscheinlich der Technischen Universität Turin (IL DAY) anvertraue.
Die Tagesschau schreibt: „Der Corriere della Sera berichtet davon, dass eine der beiden Bremsen der Gondel deaktiviert worden sein könnte. Diese Bremsen verhindern im Notfall, dass die Gondel bei einem Zwischenfall zu Tal fährt. Zwischen die Bremsbacken ist demnach ein Bügel eingefügt worden, der verhindert, dass sich die Bremsbacken schließen. Ein vom Corriere della Sera zitierter Experte erklärt, dass nach dem Unglück eine der beiden Bremsen offen war.“
Tv-Betreiber stirbt am Schauplatz
An der Absturzstelle heute, 25. Mai 2021, eine weitere Tragödie: Ein TV-Betreiber, Nicola Pontoriero starb an einem Herzinfarkt, als er mit einer Mediaset-Crew vom Ort des Unglücks entlang der Wege wieder absteigt. Vergblich wurde versucht, ihn wiederzubeleben.
Unterdessen bleibt die Hoffnung für den kleinen Eitan, den einzigen Überlebenden der Tragödie: Das Kind wird in das Krankenhaus Regina Margherita in Turin eingeliefert und begann heute nach der Sedierung zu erwachen. Ärzte sprechen von „vorsichtigem Optimismus“ darüber, obwohl Krankenhausquellen wissen lassen, dass psychologische Hilfe erforderlich sein wird, wenn der Kleine aufwacht …
Update 26. Mai 2021
Am 26. Mai 2021 wurden drei Personen verhaftet. Es stellte sich heraus, dass das Notbremssystem aufgrund eines Ausfalls am Vortag des Unglücks bewusst außer Betrieb genommen worden ist, um Ausfälle zu vermeiden … Siehe: Italien: Geständnis nach Gondelabsturz mit 14 Toten → Notbremse wurde manipuliert