Nö: Hagelunwetter Hollabrunn 2021 → 7.533 Einsatzstunden bei rund 500 Einsätzen mit 1.187 Feuerwehrmitgliedern in 7 Tagen (Abschlussbericht)
BEZIRK HOLLABRUNN (NÖ): Vor einer Woche – 24. Juni 2021 – wurde der Bezirk Hollabrunn von schweren Unwettern getroffen. Neben den üblichen Unwetterschäden wie vollgelaufene Keller, umgestürzten Bäumen, verschmutzten Verkehrswegen war diesmal vor allem der massive Hagelschlag Verursacher von den rund 500 Feuerwehreinsätzen. Im Anschluss finden Sie den Detailbericht zu diesem Großschadensereignis.
Kurz nach 17:00 am 24.06.2021 begannen die ersten Unwetter im Südwesten des Bezirkes und zogen ein Bild der Verwüstung quer über den Bezirk Hollabrunn. Hagelkörner bis zu Tennisballgröße und mehr durchschlugen hunderte Dächer. Alleine Donnerstagnacht standen über 700 Feuerwehrmitglieder aus 48 Feuerwehren im Einsatz. Einige Feuerwehrmitglieder kämpften bis 03:00 Uhr morgens gegen die Schäden an.
Zur Koordinierung der Einsatzkräfte wurde die Bereichsalarmzentrale und der Bezirksführungsstab in Hollabrunn besetzt. Teilweise gingen mehrere Notrufe pro Minute ein, welche bereits alle mit dem neuen Alarmsystem ELKOS disponiert wurden. Vom Katastrophenlager des NÖ Landesfeuerwehrverbandes wurden Planen in den Bezirk gebracht und an die Feuerwehren weitergegeben.
Hunderte ersuchten um Unterstützung
Doch erst am nächsten Tag zeigte sich das tatsächliche Schadensausmaß. Hunderte besorgte Bürger baten die Feuerwehren um Hilfe um Ihre Dächer abzudichten, waren doch erneute Unwetter für den nächsten Tage angesagt. Insbesondere in den Gemeindegebieten von Ziersdorf und Hohenwarth aber auch in Suttenbrunn waren hunderte Dächer beschädigt. Mit Kränen und Drehleitern wurden Planen angebracht, welche natürlich rasch Mangelware waren. Hunderte Meter von Abdichtbändern wurden für kleinere Schäden verwendet. Die Feuerwehrmitglieder arbeiteten, besonders in den schwer betroffenen Orten, von Donnerstagabend bis einschließlich Sonntag beinahe durch. In den besonders schwer betroffenen Orten waren die Arbeiten jedoch auch eine Woche danach noch nicht beendet und es gab immer wieder vereinzelte Tätigkeiten der Feuerwehren.
Feuerwehrkommandant Christian Glocker, Einsatzleiter in Ziersdorf, berichtet: „Nach dem ersten Hagel bin ich ins Feuerwehrhaus gefahren. Kurz nach meinem Eintreffen vernahm ich ein lautes Grollen und dachte zunächst an einen Zug, als plötzlich faustgroße Hagelkörner einschlugen. Kurz danach läutete schon das Telefon im Feuerwehrhaus mit dem ersten Einsatz und fast zeitgleich ging die Sirene über einen weiteren Notruf los. Zunächst habe ich zwei Fahrzeuge zu den ersten Einsatzstellen geschickt und bin Erkunden gefahren, aber nach wenigen Minuten mit unzähligen Telefonaten war mir klar, dass wir die Sache anders angehen müssen. So bauten wir im Feuerwehrhaus eine Einsatzleitung auf. Nach einer kurzen Chaosphase, die bei solchen Einsätzen dazugehört, hatten wir rasch einen ersten Überblick und alarmierten einige Feuerwehren zur Unterstützung.
Damit wir den Funk freihalten, teilten wir jeder Feuerwehr gleich drei Einsatzadressen zu und wiesen die Feuerwehren an, nach der Abarbeitung sich neue Aufträge im Feuerwehrhaus abzuholen. So arbeiteten wir bis um 03:00 morgens durch. Die Einsätze gingen dann jedoch bis einschließlich Montag intensiv weiter. Bei uns in Ziersdorf hatten wir ausschließlich Hagelschaden, es war keine nennenswerte Regenmenge dabei, auch der Sturm führte kaum zu Schäden. Ein besonderes Anliegen ist es mir, mich auch an dieser Stelle bei allen Kameradinnen und Kameraden für Ihren unermüdlichen Einsatz zu bedanken“.
Einsatzleiter in Suttenbrunn, Unterabschnittskommandant Harald Dallamassl, berichtet von über 30 Einsatzstellen in Suttenbrunn und fast 600 Einsatzstunden die in 6 Tagen geleistet wurden: „Auch die ältesten Dorfbewohner können sich nicht an so ein Wetterereignis erinnern. Die Hagelkörner hatten ein Gewicht von bis zu 300g. In Suttenbrunn ist fast jedes Dach beschädigt. Wir brachten Planen an und verklebten hunderte Meter Abdichtband, dass wir kurzfristig aus der gesamten Gegend organisiert haben. Auch der Teich ging über die Ufer und Keller waren überflutet. Ich möchte mich bei allen Feuerwehrmitgliedern bedanken die in Suttenbrunn im Einsatz waren, bei meinen eigenen Kameradinnen und Kameraden, aber auch bei den Kräften aus Hollabrunn, Stockerau und Retz.“
Feuerwehrkommandant Werner Trauner bereitete den eigenen Garten gerade noch rechtzeitig auf das Unwetter vor, als es kurz danach mit dem schweren Hagelschlag los ging. „Schon wenige Minuten nach dem Hagel ging auch die Sirene zweimal los und wir rückten zu den ersten Einsatzstellen aus. Im Minuten-Takt bekamen wir von der Bereichsalarmzentrale Hollabrunn weitere Einsätze übermittelt. Deshalb errichteten wir rasch eine Einsatzleitung im Feuerwehrhaus. Wir alarmierten in weiterer Folge drei Wechsellader und einen Hubsteiger, in Summe 9 Feuerwehren alleine am Donnerstagabend. Hauptsächlich handelte es sich um kaputte Dächer. Über verschiedene Kontakte holten wir noch in der ersten Nacht Planen aus drei verschiedenen Baumärkten der Umgebung. Um 02:00 morgens brach ich den Einsatz ab, da die Kombination von Dunkelheit, Höhe und Müdigkeit einfach zu gefährlich war. Der gesamte Schaden war uns am Donnerstagabend noch nicht bewusst. Am Freitag ging es nach einer ersten Erkundung weiter und es kam eine Schadensstelle nach der anderen hinzu. Oft war es so, dass die Hausbesitzer die Schäden eigentlich mit entsprechenden Firmen beheben wollten, aber natürlich konnten die Dachdecker der Umgebung dies nicht überall zeitnahe umsetzen und so wandten sich von Stunde zu Stunde immer mehr beunruhigte Hausbesitzer an die Feuerwehr. Mein Einsatzauftrag an die einzelnen Feuerwehren war, die Dächer provisorisch abzusichern und zur Umsetzung den jeweils raschesten Ansatz zu wählen. Wir reparierten aber keine Nebengebäude, Scheunen oder Maschinenhallen, nur Dächer wo durch den angekündigten Regen und Sturm eine Gefahr bestand. Besonders beindruckt war ich vor allem von der Hilfsbereitschaft der ortsfremden Feuerwehrmitglieder, ich möchte Ihnen im Namen der Ortsbevölkerung von Hohenwarth meinen Dank ausdrücken.“
Bezirksfeuerwehrkommandant Alois Zaussinger: „Ich möchte mich auf das allerherzlichste bei allen eingesetzten Feuerwehrkräften bedanken. Viele gingen physisch und psychisch an Ihre Leistungsgrenzen um Ihren Mitmenschen zu helfen. Besonders hervorzuheben sind jene Feuerwehrmitglieder, die Schäden an Ihrem Eigentum ignoriert haben und selbstlos zuerst allen anderen geholfen haben. Außerdem schicke ich einen besonderen Gruß an die Feuerwehren aus den Bezirken Tulln, Krems und Korneuburg die mit Mannschaft und Sondergerät unterstützt haben. „
Katastrophenschützer Nr. 1
„Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Feuerwehren Katastrophenschützer Nr. 1 sind. Keine andere Organisation kann in so kurzer Zeit mit dieser Mannschaftsstärke und Ausrüstung helfen“, so Zaussinger weiter, „Trotzdem zeigte aber auch der Einsatz Aufholbedarf bei der Koordinierung in einigen Bereichen der Einsatzleitungen und Führstäbe auf. In diesen Bereichen werden wir die Ausbildung in den nächsten Monaten intensivieren.“
Ungewöhnlichste Wettereignisse seit Jahrzehnten
In der Zwischenzeit hat auch die Zentralanstalt für Metrologie (ZAMG) im Bezirk Erhebungen gestartet. Laut Georg Pistotnik / ZAMG handelte es sich um eines der ungewöhnlichsten Wetterereignisse in den letzten Jahrzehnten, sowohl von der Hagelkorngröße als auch teilweise von der Windintensität. Laut Pistotnik handelte es sich bei den Gewittern um mehrere sogenannte „Superzellen“ welche um die eigene vertikale Achse rotierten. Diese Rotation verursachte den besonders großen Hagel aber auch die extremen Fallwinde.
Detailübersicht:
Donnerstag: 48 Feuerwehren, 82 Fahrzeuge, 715 Feuerwehrmitglieder
Freitag: 27 Feuerwehren, 51 Fahrzeuge, 230 Feuerwehrmitglieder
Samstag: 31 Feuerwehren, 34 Fahrzeuge, 161 Feuerwehrmitglieder
Sonntag: 10 Feuerwehren, 19 Fahrzeuge, 65 Feuerwehrmitglieder
Montag: 3 Feuerwehren, 5 Fahrzeuge, 16 Feuerwehrmitglieder
vereinzelte Folgeeinsätze auch von Dienstag-Freitag