Nächster Feuerwehrkommandant gesucht → Teamarbeit oder Konfrontation?
2023 ist es wieder so weit. Im Zuge des 5-Jahres-Rhythmus stehen bei den Feuerwehren Oberösterreichs neuerlich Wahlen an. So manch‘ Kandidat steht vielleicht schon in den Startlöchern, um den Job zu übernehmen. Oder vielleicht gar ein zweiter oder Dritter?
Ein paar Gedanken zu den Wahlen und den Vorbereitungen.
Von Hermann Kollinger
Dieser Text wurde vom Feuerwehrmagazin Brennpunkt zur Verfügung gestellt, wo der Beitrag im August enthalten war.
Alle fünf Jahre werden die Kommanden der freiwilligen Feuerwehren neu gewählt. Vielerorts werden die bisherigen Funktionäre ihr Amt fortsetzen und wieder kandidieren oder – auch nicht wenige – aus den verschiedensten Gründen an den Nagel hängen. Auch der Chefsessel vieler Feuerwehren wird neu zu besetzen sein und die Suche nach der neuen „Mutter der Kompanie“ ist vielerorts schon im Gange. Wenn nicht, dann würde es aber nun höchste Zeit.
Der Multifunktionsjob
Lange Zeit galt die Anforderung an den Feuerwehrkommandanten jenes eines Multitalents. Er sollte allwissender Super-Feuerwehrmann sein, ein vernünftiges Auftreten nach außen und innen haben, einen Verhandlungsprofi darstellen, möglichst immer dabei sein und als Tüpferl am I selbstverständlich auch noch mit Menschen umgehen können. Das war’s dann auch schon.
In meinen jüngeren Jahren als frisches Feuerwehrmitglied war das auch mein persönliches Bild eines Feuerwehrkommandanten. Dass man später vielleicht auch einmal Familie und ein ausgefülltes Berufsleben hat und sich das Leben dann – was jeder erfahren wird – nicht ausschließlich um die Feuerwehr drehen wird und kann, bringt nach und nach die Lebenserfahrung erst mit sich.
Doch kein Tausendsassa?
Nach 25 Jahren aktiver Feuerwehrmitgliedschaft hat sich auch meine Sichtweise zur Funktion des Kommandanten doch verändert. Heute vertrete ich die Meinung, dass er (oder sie) nicht unbedingt der Tausendsassa sein muss, der alles zu können hat und vielleicht auch noch alles alleine machen soll. Schon aus diesem Grund gibt’s einen Stellvertreter und vor allem auch ein hoffentlich starkes Team dahinter, was dann den oder die Zugskommandanten, Kassier, Schriftführer, Gerätewart und so weiter betrifft. Schlussendlich heißt es auch Führungsteam und nicht Alleinherrschaft.
So demokratisch wie die Funktionen gewählt werden, sollten sie dann schlussendlich auch gelebt werden. Natürlich, den Letzten – hier den Ersten – beißen die Hunde und er hat die letzte Verantwortung über die Organisation. Aber ein Firmenchef kann auch nicht jede Tätigkeit selbst erledigen und muss mehr oder weniger mit dem Gedanken leben, lieber 80 % der Arbeiten so erledigt zu bekommen, wie er es sich vorstellt, als noch mehr Zeit dafür aufzuwenden, auch die restlichen 20% zur persönlichen Perfektion anzuwenden – und sich dabei persönlich aufzureiben. Natürlich wird’s auch seine Zeit brauchen, dies als frische und häufig auch völlig unvorbereitete Führungskraft zu akzeptieren. Anders wird’s jedoch kaum gehen, vor allem dann, wenn der gesamte Betrieb vielleicht schon eine gewisse Größe erreicht.
Der Schäfer der Herde
Dass der Feuerwehrkommandant auch nicht unbedingt der ausgezeichnete Einsatzleiter sein muss, wurde mir im Zuge meiner Tätigkeiten in der Feuerwehr auch bewusst. Das Aufgabenfeld ist einfach zu vielfältig geworden. Der beste Einsatztaktiker und -techniker kann, aber muss nicht gleichzeitig auch das perfekte Einfühlungsvermögen für die Mannschaft haben. Und jeder würde sich selbst belügen, wenn er abstreitet, dass ein wesentlicher Bestandteil der Aufgabe eines Kommandanten in der Betreuung seiner Schafe liegt.
Ob das nun die Feuerwehr, der Fußballverein oder die politische Fraktion ist. Das ist nirgendwo anders, wo eine Vielfalt und –zahl an Menschen und Charakteren am Werken ist. Auch hier besteht die Möglichkeit, den Job mit seinem Stellvertreter sowie den Zugs- und Gruppenkommandanten aufzuteilen, die mit dieser Materie dann betraut sein sollten und allfällige „Mankos“ kompensieren und ihre Fähigkeiten hier zur Perfektion des Teams einsetzen können. Dazu gehören aber unausweichlich auch das Eingeständnis und eine ehrliche Selbsteinschätzung, was ich nun selber gut kann und was nicht zu meinen Stärken zählt.
Bei mehr Kandidaten gibt‘s auch Verlierer. Sogar Freundschaften können darunter leiden bzw. haben das auch bereits. Daher sollte man sich vielleicht überlegen, sich als Team zu formieren als gegeneinander anzutreten. Oder?
Nun, wenige Monate vor der kommenden Wahl hat man in seiner Feuerwehr vielleicht das Glück, gleich zwei potenzielle Kandidaten zu haben, die sich in der Lage sehen, den Job des Feuerwehrkommandanten zu übernehmen. Die Auswahl ist bekanntlich nicht immer die größte, ganz im Gegenteil. Hinzukommt bei einer offenen Betrachtungsweise dann auch noch, dass jeder Kandidat zwar garantiert den guten Willen besitzt, das Steuer der Feuerwehr an sich zu reißen, nur ist er auch dafür geeignet? Eine Frage, die auch nicht immer ganz einfach ist. Möglicherweise ist er der Einzige, der sich zur Wahl stellt oder sich nicht bewusst ist, dass das Fingerspitzengefühl doch nicht vorhanden ist? Wohl ein Thema, das jeder Kandidat nur für sich selbst beantworten kann und sollte.
Emotionen und Verluste
Was tun wir jedoch, wenn sich gleich zwei oder noch mehr Kandidaten berufen fühlen, sich als Kommandant zu bewerben? Startet jeder für sich eine Wahlkampagne quer durch die ganze Mannschaft, um für seine persönliche Gunst zu buhlen? Dass nur einer gewinnen kann, ist genauso gewiss wie die mögliche Enttäuschung über eine Niederlage. Was ist zudem nach der erfolgten Wahl mit dem „Verlierer“ und dessen Wähler? Besteht die Gefahr, der emotionalen Lagerbildung (hat zwar auf die Einsätze selbst nicht unmittelbare Auswirkung, aber das soziale Leben soll ja auch hinter den Kulissen funktionieren)? Oder gehen vielleicht gar persönliche Freundschaften dadurch kaputt? Themen, die man nicht gerne öffentlich anspricht. Bei einer wichtigen Entscheidung wie dieser sollte man sie aber beleuchten und diskutieren dürfen.
Gegenkandidat oder gemeinsam im Team?
Sollte man sich im Vorfeld vielleicht überlegen, nicht gegeneinander anzutreten, sondern die vorhandenen Potenziale zu fusionieren und als Team ins Rennen zu gehen? Der eine vertritt – als Beispiel – die Feuerwehr nach außen, regelt die Belange mit Institutionen, Gemeinde, Landes-Feuerwehrverband und der oder die anderen nehmen die Agenden des Einsatzdienstes, des vorbeugenden Brandschutzes oder der Ausbildung wahr und man vertritt sich im Bedarfsfall gegenseitig?
Natürlich, die „Königs-Krone“ kann sich nur einer aufsetzen. Aber würde die Feuerwehr als Ganzes nicht vielmehr profitieren, die Fähigkeiten beider oder mehrerer Kandidaten in ein starkes Team zu investieren als einen Teil der Mannschaft oder auch nur Einzelne nach der Wahl vielleicht gar zu verlieren? Klar, es bedarf vielleicht Überwindung, sich vom Gedanken des Obersten zu lösen und zum Zweiten oder Dritten zu wechseln, nur: Sollte es nicht eher der Sache „Feuerwehr“ dienen als möglicherweise nur dem persönlichen Ego? Eine Überlegung wäre das schon wert.
Es immer zu 100 Prozent Recht machen wird man in einer führenden Position niemals können.
So würde ich es mir allgemein betrachtet persönlich es als langjähriges Kommando- und heutiges Mannschaftsmitglied dann wünschen bzw. denken. Wieso sollte es anderen Feuerwehrmitgliedern dann anders gehen, deren Stimme man ja hoffentlich nicht nur bei der Wahl haben möchte. Möglicherweise die erste Stufe eines Kompromisses, von denen es im weiteren Funktionsleben wohl noch viele weitere geben wird. Ob es einem nun gefällt oder nicht.
In die Mannschaft hineinhorchen
Für alle Führungskandidaten – allen voran dem Chef – empfiehlt es sich auch, etwas in die Stimmung der Mannschaft hineinzuhorchen. Was kam in der ablaufenden Funktionsperiode gut an oder worin sieht man dann vielleicht Verbesserungs- oder Veränderungspotenzial. Bedeutsam wäre hier aber auch, sich nicht nur an seine „Spezies“ zu wenden und seine wissentlichen Befürworter zu verlassen, die einem sowieso nur auf die Schulter klopfen. Vielleicht noch viel wichtiger ist es auch, die Stimmen jener zu hören, wo man sich bewusst ist, dass sie mit den eigenen Gedanken nicht absolut konform gehen.
Vorzeitig planen
Einen Plan über wesentliche Änderungen oder gar Konzepte in der Tasche zu haben, garantiert sicher einen besseren Start als auf das gerade Wohl zu kandidieren und dann einfach mal zu schauen, was sich ergibt, wenn es so weit ist. Harte Worte, gut möglich, aber andererseits ist es unabdinglich, der kommenden Realität etwas ins Auge zu sehen, ohne jemanden die Motivation für ein neues Amt hier wegnehmen zu wollen. Dass eine Führungsfunktion aber schon lange nicht mehr nur Ruhm und grenzenlose Ehre bedeutet, sollte dann nichts Neues sein. Aber da die wenigsten höheren Funktionäre diesen Job als „Frischling“ übernehmen, ist man sich dieser Tatsache dann ja bewusst.
Mein weiteres Team …
Auch die Frage, wer mein Team als potenzieller Kommandant werden soll, sollte langsam, aber sicher beantwortet werden. Brauchen die Leute Bedenkzeit, sich mit einer Funktion anzufreunden oder sind sie dafür bereits startklar, jedoch auch fachlich oder persönlich dazu geeignet? Kann der restliche Teil des Kommandos mit meinen Favoriten oder nicht? Steht man hier auf einer soliden Basis im gesamten Team, ist eine Standfestigkeit hier eine gute Ausgangslage. Und neben dem internen Betrieb wird es an Herausforderungen oft nicht mangeln. Vor allem wenn ein Fahrzeugankauf oder möglicherweise gar ein Feuerwehrhausneubau ansteht. Beides bedarf in den meisten Fällen Durchhaltevermögen und nicht selten auch gute Nerven.
Das Stimmungsbild sollte man sich im Vorfeld nicht nur über seine Spezies und Kumpels holen, sondern auch jene hören, wo man weiß, dass sie vielleicht anderer Meinung sind.
Und viel mehr
Schnell kommt man heute als Feuerwehr bzw. als Funktionär ins Fahrwasser der Politik, dem es nichts desto trotz Neutralität zu bieten gilt. Feuerwehr als heilige Kuh ist eine Ansicht von gestern. Natürlich, in den meisten Fällen wird sie wertgeschätzt, aber jeder, der schon längere Zeit im Feuerwehrleben zuhause ist, weiß, dass es von heute auf morgen anders sein kann. Einmal mehr gelangen wir hier zur Funktion, die über die jene der „Mutter der eigenen Kompanie“ hinausgeht und Fingerspitzengefühl und diplomatisches Gefühl voraussetzt, um Wogen wieder zu glätten.
Auch Fragen, wieso die Feuerwehr so viele Fahrzeuge hat oder wirklich ein neues Fahrzeug braucht oder nicht der neue Kindergarten doch wichtiger ist als das bereits seit zwei Jahrzehnten diskutierte Feuerwehr sind – nur so nebenbei – Themen, die uns dann als Team schon fordern können. Dann sind es vielleicht auch noch Bestimmungen des Landes-Feuerwehrverbandes, die nicht jedem Mitglied gefallen, wenn es um Umsetzungen von verschiedenen Projekten geht.
Chef sein ist mehr
Chef einer Feuerwehr sein ist also mehr als der universelle Tausendsassa, der von jeder Fähigkeit eine Portion in sich trägt. Auch wenn man sich die Fülle an bevorstehenden Aufgaben sinnvoller Weise teilt, es wird noch genügend Zeit neben Beruf, Familie und Freundesleben auf der Strecke bleiben, „seinen“ Laden auf Trab zu halten. Ob es nun ein kleinerer oder größerer Laden ist, den man führt.
Vor allem die menschlichen Faktoren sind überall die gleichen. Setzt man sich nun selbst die Kommandanten-Krone auf oder werkt als Vizekönig oder in irgendeiner anderen Funktion: Es wird genug Arbeit für alle da sein. Und alle verfolgen das Ziel, für die jeweilige Feuerwehr das Beste herauszuholen.
Vor dem Gang zur Wahlurne
Für die kommende Wahl tauchen also durchaus noch einige Fragen auf, die sowohl auf die Kandidaten als die Mitglieder einer Feuerwehr treffen, sofern ein Wechsel der Führung ansteht. Vielleicht ist es wert, den einen oder anderen genannten Gedanken für das Treffen der Entscheidung einfließen zu lassen, bevor es dann so weit ist und der Gang zur Wahlurne bevorsteht.
Guter Artikel! Was leider ein wenig (gar nicht, oder ich habe es tatsächlich überlesen) angeführt wird ist, dass sich den ganzen „Schas“ oft auch gar keiner mehr antun will. Viele überschätzen auch ihren eigenen Horizont und glauben, plötzlich nach einer Wahl die absoluten Wunderwuzzis zu sein. Und wie das Wort „Wahl“ schon vermuten lässt, zählt nicht die Qualifikation, sondern wer die besseren (mehr) Freunde hat. Das führt dazu, dass wiederum viele, die tatsächlich gut geeignet wären, erst gar nicht antreten aus Angst, nicht genug „Freunde“ zu haben.
Man müsste ganz schnell weg von diesem „Wahlgedöns“ hin zu einer Stellenausschreibung durch die Gemeinden und einem Kriterienkatalog (menschlich/fachliche Führungsvoraussetzungen, was „hat er an andere abzugeben“). Meinetwegen soll der Kommandant dann auch einen Betrag X pro Jahr als Aufwandsentschädigung erhalten, er kanns ja in die Kameradschaftskasse werfen, wenn ihm danach ist.