Kasseler Studie: Staustufen-Management kann Hochwasser verringern
Viele europäische Flüsse sind durch Staustufen stark reguliert. Setzt man sie intelligent ein, könnten sie die Folgen von Hochwassern wie der verheerenden Inn-Flut 2013 mindern. Eine an der Universität Kassel entwickelte Methode birgt laut einer Information von Ende Mai 2023 großes Potenzial – auch für andere Flüsse.
Wetterextreme haben in den vergangenen Jahren immer wieder zu Überschwemmungen geführt. Wo große Flüsse betroffen sind, die durch Staustufen reguliert werden, könnten diese Bauwerke Hochwasser spürbar absenken. Das hat eine aufwendige Studie ergeben, die Prof. Dr.-Ing. Stephan Theobald und Dr.-Ing. Sarah Dickel von der Universität Kassel für das Bayerische Landesamt für Umwelt durchgeführt haben.
Sie untersuchten das entsprechende Potenzial der zahlreichen Staustufen am bayerischen Inn, wo z. B. 2013 ein großes Hochwasser verheerende Schäden in Passau, aber auch in zahlreichen anderen Orten verursacht hatte. Der Inn erreichte damals einen Rekordpegel von 11,60 Metern (Pegel Passau Ingling), die Donau von 12,90 Metern (Pegel Passau).
Die Kasseler Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass ein angepasstes, intelligentes Staustufen-Management den Pegel bei verschieden großen Hochwasserereignissen um acht bis 23 Zentimeter (Donau-Pegel Passau) bzw. 17 bis 45 Zentimeter (Inn-Pegel Schärding) senken kann. Der Abflussscheitel des Hochwassers gemessen am Kraftwerk Passau-Ingling könne um zwei bis neun Prozent verringert werden.
In der Studie wurde zudem die Überlagerung mit einer messwertbasierten Steuerung eines Flutpolders betrachtet; die kombinierte Steuerung erzielt in Passau Wasserstands-Reduzierungen von 17 bis 36 cm und in Schärdung sogar 23 bis 68 cm. „Das Staustufen-Management kann kein Hochwasser verhindern, aber spürbar zum Hochwasserschutz beitragen“, kommentierte Prof. Theobald. „Schon zehn oder 15 Zentimeter können für viele Kommunen und viele Hausbesitzer insbesondere bei größeren Hochwassern einen deutlichen Unterschied ergeben.“
Voraussetzung sei, den Betrieb der Staustufen bei Hochwasserwarnung geschickt zu koordinieren. Das werde durch ein komplexes Modellierungsprogramm ermöglicht, das der Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin am Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft entwickelt haben. Vereinfacht gesagt kommt es darauf an, bei einer Hochwasserwarnung bzw. ‑vorhersage die Wasserstände vor den Staustufen erst abzusenken und dann zum jeweils richtigen Zeitpunkt wieder anzuheben, um Wasser im Stauraum der Staustufen zurückzuhalten und den Scheitel der Hochwasserwelle abzuflachen.
Das Untersuchungsgebiet umfasste den Inn vom Kraftwerk Oberaudorf bis zur Mündung in die Donau in Passau sowie den Donauabschnitt bis Jochenstein. Berücksichtigt wurden 15 Kraftwerke, von denen acht in die Steuerung einbezogen wurden. Die Methode kann auf andere Flusssysteme übertragen werden – wie groß der Effekt ist, hängt dann von den jeweiligen Besonderheiten des Gewässers und der Staustufen ab.
Die Studie war Teil eines Gesamtprojekts, dessen Ergebnisse Sie hier finden:
https://www.cee.ed.tum.de/wb/projekte/retentionspotentialstudie-am-inn/