Tunnel-Katastrophen professionell managen → Forschungsprojekte mit dem Zentrum am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben
STEIERMARK: Kooperation des AIT Center for Technology Experience mit dem Zentrum am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben: zwei Forschungsprojekte (MED1stMR und NIKE MED), drei Einsatzorganisationen und eine reale Übung im Tunnel am 16. September 2023.
Unfälle mit vielen Verletzten sind immer eine Herausforderung für Rettung, Polizei und Feuerwehr. Wer macht was zum richtigen Zeitpunkt? Wer managt und koordiniert den Vorfall? Noch schwieriger zu bewältigen sind Unfälle an schwer zugänglichen Orten – etwa in einem Tunnel. Österreich ist ein Tunnelland, mit vielen Straßen- und Eisenbahntunnel. Der längste Straßentunnel ist der Arlbergtunnel mit knapp 14 km, gefolgt vom Plabutschtunnel und dem Gleinalmtunnel (beide Phyrnautobahn). Laut Asfinag gibt es aktuell 166 Straßentunnel in Österreich – damit liegt Österreich europaweit an zweiter Stelle hinter Italien.
Umso wichtiger ist es, die Sicherheit in Tunnel zu gewährleisten. Bei Unfall oder Brand im Tunnel gilt es schnell zu reagieren. Wenn Menschen eingeschlossen oder verletzt sind, zählt jede Sekunde – und bei den Einsatzkräften sollte jeder Handgriff sitzen. Ein koordinierter Einsatz von Feuerwehr, Rettung und Polizei ist oberste Prämisse. Wichtig ist auch die Kommunikation mit der Einsatzzentrale und der aktuelle Überblick über die Situation, wie viele Personen wie schwer verletzt sind und in welcher Reihenfolge (Triage) von den Notfallsanitäter:innen versorgt werden müssen.
Das AIT besitzt jahrelange Erfahrungen und Know-how im Bereich Extended Reality (XR), insbesondere im Trainings-Bereich für unterschiedliche Berufsgruppen. „Wir sehen XR als zentrales Element, um Einsatzkräfte gezielt und in innovativer Art und Weise auf ihren Alltag und komplexe Situationen vorzubereiten“, betont AIT Forscher Helmut Schrom-Feiertag vom Center for Technology Experience. Dabei geht es nicht nur um ein Training in der virtuellen Welt, sondern auch um Biosignal- und Stressmessung, eine Kombination von virtueller und realer Welt (Verwendung von angreifbaren Gegenständen wie Stethoskop oder Beatmungsgerät) sowie ein multisensorisches „Erlebnis“ beim Training – etwa durch Wärme, Wind oder Nässe. Um ein möglichst realistisches virtuelles Training zu entwickeln, sind die Erfahrungen und Übungen aus der Praxis von großer Bedeutung.
Forscher:innen und Einsatzkräfte ziehen gemeinsam an einem Strang
Wichtig ist, sich bestmöglich auf Unglücksfälle vorzubereiten. Aber auch das gemeinsame Üben aller Einsatzkräfte ist entscheidend. Gleich zwei Forschungsprojekte arbeiten hier jetzt zusammen – im Sinne einer Verbesserung des Einsatzes im Ernstfall.
Beim Projekt MED1stMR (gefördert im Programm EU Horizon 2020) unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird eine Mixed Reality-Lösung für Notfallsanitäter:innen entwickelt, um komplexe Unglücksfälle in virtueller Umgebung im Team zu trainieren. Insgesamt sind bei MED1stMR 18 Partner aus neun Ländern involviert, darunter sieben verschiedene internationale medizinische Einsatzorganisationen/Trainingscenter aus ganz Europa. (alle Partner hier: https://www.med1stmr.eu/consortium). Im Zuge des Projekts läuft derzeit ein großer Praxistest: Notfallorganisationen aus ganz Europa testen den MED1stMR Prototyp und geben Feedback zur Optimierung des Trainings. http://www.med1stmr.eu
Beim Projekt NIKE MED (gefördert im Programm KIRAS) unter Leitung des Zentrums am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben ist das Ziel, gemeinsam mit der Med Uni Graz, der Mindconsole GmbH, der Universität Innsbruck – Institut für Psychologie, dem Bundesministerium für Landesverteidigung, der IL – Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GmbH und dem DCNA (Disaster Competence Network Austria) Notfallkapazitäten zu evaluieren und eine Applikation für alle in Notfälle involvierten Einsatzkräfte zu entwickeln, um einen Katastropheneinsatz unter Tage bzw. im Tunnel koordiniert und professionell gemeinsam ablaufen zu lassen. Die notfallmedizinische Versorgung der Verletzten soll so in Zukunft optimiert werden. Geförderte Projekte
Ziel ist es jetzt, aus den Erfahrungen beider Forschungsprojekte zu profitieren und die Technologien noch zu verbessern. Dazu wird am 16. September 2023 eine Großschadensübung abgehalten, um Ersthelfer:innen besser auf reale Einsätze vorzubereiten. Johanniter Österreich, die freiwillige Feuerwehr Inzersdorf sowie die Polizei Gleinalm werden dabei gemeinsam in den Unter-Tage-Anlagen des Zentrums am Berg in den Tunnelanlagen beim steirischen Erzberg trainieren.
Ablauf der Großschadensübung
Bei der Großschadensübung am ZAB wird ein Busunfall mit einer hohen Anzahl Verletzter in einem echten Tunnel simuliert. „Genau dieses Szenario testen wir derzeit auch im Projekt MED1stMR mit den Notfallsanitäter:innen in der virtuellen Umgebung. Ein Vergleich beider Trainingsmethoden gibt Aufschluss über zukünftige Verbesserungspotentiale“, erklärt MED1stMR Projektleiter Helmut Schrom-Feiertag vom AIT Center for Technology Experience.
Die eintägige reale Großschadensübung im Tunnel stellt einen großen Aufwand dar: „Rund 20 Ersthelfer:innen werden gemeinsam den Ernstfall trainieren. Statisten, Organisationen und Forscher eingerechnet sind insgesamt über 70 Personen bei der Übung beteiligt“, führt Univ-Prof. Robert Galler, Head of Department des ZAB, die Dimensionen der Übung vor Augen. Die Erkenntnisse aus der Übung fließen anschließend in beide Forschungsprojekte ein und sollen in Zukunft das Training für Großschadenslagen und die Organisation vor Ort solcher herausfordernden Situationen für alle Einsatzkräfte verbessern. „Es ist großartig, dass wir hier projektübergreifend und mit Benefit für beide Forschungsprojekte zusammenarbeiten“, sind sich beide Forscher einig.
Behandlung spezieller Verletzungen trainieren
Bei einem Unfall unter Tage bzw. im Tunnel kommt es zu speziellen, oftmals schweren Verletzungen, etwa um Vergiftungen (durch giftige Gase, Brände und Rauchentwicklung), großflächige Verbrennungen oder großflächige mechanische Gewalteinwirkung durch Bauwerks- oder Fahrzeugteile. Zusätzlich kommt es oftmals zur Kontamination mit ABC-Stoffen, die auch für die Einsatzkräfte eine Gefährdung darstellen.
ZAB als ideale Trainingsumgebung
Reale Trainingstage für Einsatzkräfte sind teuer und organisatorisch aufwändig – sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung. Ein konkretes Beispiel: Die Sperre des Kaisermühlentunnels in Wien für Übungszwecke ist ein Großereignis, das zudem auch verkehrstechnisch einen großen organisatorischen Aufwand verursacht. Das ZAB bietet hier einen großen Vorteil – es muss nichts gesperrt oder extra präpariert werden. Die Montanuniversität Leoben betreibt am Erzberg eine europaweit einzigartige Forschungsinfrastruktur rund um den Bau und Betrieb von Untertageanlagen. Die Versuchs- und Forschungsanlage besteht aus vier Tunnel mit einer Länge von jeweils 400 m. https://www.zab.at/ueber-uns/die-anlage
Statistik
In Österreich gibt es laut Asfinag 166 Straßentunnel. Im Jahr 2021 ereigneten sich laut Statistik Austria 125 Unfälle in österreichischen Tunnel, dabei wurden 186 Personen verletzt. Die meisten Unfälle und Verletzte gab es in OÖ, gefolgt von Tirol und Wien.
SHOPPING-RABATT-CODES IN RAUHEN MENGEN | Fireworld.at/Gutscheine