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Hochwasser 2024 → Für manche sind wir Helden, in erster Linie sind wir aber Menschen … | Gernot Rohrhofer

Gernot Rohrhofer ist Mitglied der Feuerwehr Krems an der Donau in Niederösterreich und auch Feuerwehr-Jurist. Auch er stand beim Hochwasser im September 2024 lange im Einsatz. Einige Erlebnisse, veranlassten ihn, die Erfahrungen niederzuschreiben. Fireworld.at hat die Freigabe von ihm, euch diese hier wiederzugeben:

Es ist Montagabend und 50 bis 60 Stunden Arbeit im strömenden Regen liegen bereits hinter uns. Dann ein letzter Einsatz: 300 waren es seit Samstagfrüh.

Rollstuhlfahrer missachtet Absperrung

Ein Rollstuhlfahrer muss aus dem Uferbereich der Krems gerettet werden. Er hat eine Absperrung missachtet. Passanten und Polizisten können ihn vor dem Abrutschen in den Fluss retten – vermutlich also vor dem Ertrinken.

Für die Feuerwehr ist nicht mehr viel zu tun. Wir leuchten den Einsatzort aus, errichten mit Planen einen Regenschutz für die Kollegen vom Roten Kreuz, helfen bei der Erstversorgung und heben den Mann zurück in den sicheren Bereich. Er überlebt.

Stehen, wo sie nicht sollen

Es ist an diesem Wochenende nicht das erste Mal, dass ich Passanten anschreie, dass ich sie wegschreie, weil sie stehen, wo sich nicht stehen sollen. Ein Scherengitter? Ein Absperrband? Offenbar nur noch eine Empfehlung. „Warum schreien Sie mich an? Es ist ja nur mein Hund, der am Ufer steht“, sagt ein Mann. Ich kürze das Gespräch ab und sage: „Die Frau, die beim letzten Mal von ihrem Hund in die Krems gezogen worden ist, musste reanimiert werden. Wenig später war sie tot.“ Der Mann ist still.

Wir könnten uns es einfacher machen …

Ja, wir könnten es uns als Feuerwehr einfach machen und der Natur freien Lauf lassen. Doch wir tun es nicht. Wir haben einen Eid abgelegt, anderen Menschen zu helfen. Wir helfen, wenn eine Katze auf dem Baum sitzt. Wir helfen, wenn ein Ast auf der Straße liegt.

Und wir helfen dem Freund von paul.px, der ein Video auf TikTok veröffentlicht hat. „How ist started“, beginnt sein Reel, das den Titel „sh!t happens“ trägt. How it ended? Für den Freund von paul.px und seinen Mercedes C 43 AMG zuerst auf dem Dach, und dann mit Halskrause am Straßenrand sitzend. Kurze Zeit hat es den jungen Männern mit ihren PS-starken Autos die Sprache verschlagen. Aber eben nur kurz. 458 Mal ist das Video geliked, 8.000 Mal aufgerufen worden. Acht Mal so oft wie alle anderen Videos von paul.px.

Bis zur Motorhaube im Wasser …

Zurück zum Hochwasser. Mit meinen Kameraden bin ich am Sonntagvormittag unterwegs zwischen Grunddorf und Haitzendorf.

Wir wollen ein paar Fotos schießen. Was wir dann erleben, wird jedoch einige Tage in mir arbeiten. Wir erreichen eine überschwemmte Straße.

Das besagte Straßenstück.

150 bis 200 Meter sind es, auf denen das Wasser des Kamps über die Fahrbahn schießt. „Arg“, denken wir uns. Als wir den schwarzen Audi sehen, der bis zur Motorhaube unter Wasser steht, wird uns anders. Das Licht brennt, wir wissen nicht, ob noch jemand drinnen sitzt.

Ich gehe alleine weiter …

Wir gehen also los. Zuerst sind es nur zehn, dann 20 Zentimeter Wasser, in denen wir vorsichtig einen Schritt nach dem anderen setzen. Dann sage ich zum Fotografen: „Du bleibst hier stehen, ich gehe alleine weiter.“ Ich komme an einem drei, vier Meter langen Baum vorbei, der auf der Straße liegt. Mir wird klar: Wenn das Wasser stark genug ist, ihn mitzureißen, dann mich erst recht. Und mir wird klar: Daheim erzähle ich das lieber erst später.

Der Baum, der den Denkanstoß verleiht

Ich schaffe es nicht, nah genug an das Auto heranzukommen. Ich sehe nicht, ob jemand meine Hilfe benötigt. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ich entscheide mich für meine Frau und meine Tochter. Ich entscheide mich, umzudrehen und rufe in der Alarmzentrale an. Dort erfahre ich, dass das Auto leer ist und schon länger im Wasser steht. Ich bin erleichtert.

Vielleicht sind wir also doch keine Helden, wie manche über uns sagen. Aber wir sind sicher eines: Menschen, die helfen, wo sie können.

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