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Bayern: Jahrelanger Zwist mit der Gemeinde → Bergens Kommandanten ziehen Reißleine und treten zurück

BERGEN (BAYERN): Die beiden Kommandanten der Feuerwehr Bergen (Landkreis Traunstein) haben am Donnerstag, 14. November 2024, ihre Ämter niedergelegt. Damit ziehen sie für sich einen Schlussstrich in den jahrelangen Unstimmigkeiten mit der Gemeindeverwaltung sowie dem Bürgermeister und dem Gemeinderat. Nun äußerten sich Tobias Schwaiger und sein ehemaliger Stellvertreter Michael Freitsmiedl gegenüber der Pressestelle des Kreisfeuerwehrverbandes zu den Gründen ihres Schrittes. In einer Aktivenversammlung am Freitagabend, 15. November 2024, haben sie die Mannschaft der Feuerwehr Bergen über ihren Schritt informiert.

Bereits seit mehreren Jahren wird in der Gemeinde das für und wider über die Notwendigkeit einer Drehleiter sowie weiterer Ausrüstungsgegenstände diskutiert. „Wir als Feuerwehr sind eine zentrale Säule für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserer Gemeinde und sind als kommunale Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis zu betrachten“, betont Tobias Schwaiger und ergänzt, „durch die fehlende Ausrüstung können wir dieser Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung nicht gerecht werden“.

Kein Auslangen mit Standardrettungsmitteln

„Wir haben in der Gemeinde gleich mehrere Wohngebäude, die mit den Standardrettungsmitteln, also der Steckleiter, nicht in allen Etagen erreichbar sind. Diese sind auch baulich nicht mit einem zweiten Rettungsweg ausgestattet“, so der ehemalige Bergener Kommandant. Für diese Situation kann die Feuerwehr seiner Meinung nach nichts dafür, dennoch ist sie für die Menschenrettung auch in diesen Objekten verantwortlich. „Mit dieser Tatsache wird somit der Einsatz eines Drehleiterfahrzeuges nötig – so sieht es zumindest das Bau- und Feuerwehrrecht vor“, erklärt Tobias Schwaiger. „Gerade wenn es um Menschenleben geht und jede Sekunde zählt, brauchen die nächstgelegenen Fahrzeuge aus Siegsdorf, Grassau oder Traunstein schlichtweg zu lange bis sie vor Ort sind“, betont der Ex-Kommandant und ergänzt, „wir sind allesamt ehrenamtliche Einsatzkräfte und werden die Verantwortung im Notfall nicht helfen zu können nicht weiter übernehmen. Wenn etwas passiert und Menschen auf Grund der fehlenden Ausrüstung zu schaden kommen, dann würde ich mir persönlich schwere Vorwürfe machen“, sagt er im Gespräch sichtlich bewegt.

Derzeit Anhängeleiter in Gebrauch

Seitens der Gemeinde wird der Feuerwehr derzeit eine Anhängeleiter als Rettungsgerät zur Verfügung gestellt. Bereits im Jahr 2006 wurde die Norm für diese Anhängeleitern zurückgezogen, weil sie nicht mehr den Stand der Technik entsprachen. Diese Art von Rettungsgerät bedarf beim Aufstellen einen hohen Personaleinsatz und benötigt deutlich mehr Zeit als eine Drehleiter, bis sie in Stellung gebracht und gesichert ist. Einen Rettungskorb hat die Anhängeleiter nicht, so dass die Menschenrettung über den sogenannten Leiterpark erfolgen muss. Die notwendige Gefährdungsbeurteilung zum Einsatz des Gerätes liegt den ehemaligen Verantwortlichen der Feuerwehr Bergen ebenfalls nicht vor. „Wer mit der Materie vertraut ist, weiß dass man damit kaum eine Menschenrettung durchführen kann und eher das ehrenamtliche Personal und die zu Rettenden in Gefahr bringt“, so die Einschätzung von Michael Freitsmiedl.

Der Kommunale Unfallversicherungsverband Bayern hat dazu folgendermaßen Stellung genommen. „Den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ein gebrauchtes Rettungsgerät zur Rettung von Menschen zu beschaffen, dass nicht dem Stand der Technik entspricht, können wir nicht nachvollziehen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass die maximale Traglast der Leiter bereits überschritten ist, wenn ein ausgerüsteter Atemschutzgeräteträger die Leiter zur Menschenrettung betritt.

Keine Notwendigkeit gesehen

Anders sieht den Sachverhalt das Planungsbüro IBG aus dem mittelfränkischen Heilsbronn. Dieses wurde seitens der Kommune mit der Erstellung eines Feuerwehrbedarfsplanes beauftragt und sieht keine Notwendigkeit einer Drehleiter. „Deren Einschätzung nach, reicht eine Schiebeleiter oder eine Anhängeleiter baurechtlich aus“, so Tobias Schwaiger, der sich auch darüber ärgert, „dass wir als Feuerwehr bezüglich unserer Belange während der Erstellung nicht gehört wurden“. Der Bergener Gemeinderat ist in seiner jüngsten Sitzung dem Vorschlag des Planungsbüros gefolgt und hat den vorgestellten Feuerwehrbedarfsplan akzeptiert. Tobias Schwaiger hat in seiner Rolle als Gemeinderat als einziges Mitglied des Gremiums gegen den Vorschlag gestimmt.

Gesprächsanfragen konsequent abgelehnt

„Was mich ebenfalls ärgert ist die Tatsache, dass unser Bürgermeister sowie der Gemeinderat unsere mehrfach gestellten Gesprächsanfragen konsequent abgelehnt und sogar gänzlich ignoriert haben. Als Kommandant hat man gegenüber der Gemeinde unter anderem die Aufgabe, im Bereich des abwehrenden Brandschutzes sowie in der Technischen Hilfeleistung zu beraten – dieser gesetzlichen Verpflichtung konnte ich durch die Blockade nicht mehr nachkommen“, so der ehemalige Aktiven Chef.

„Die Aussage – was ist jetzt eigentlich Sachstand mit der Strickleiter ähh Drehleiter? – eines Bürgers während der Bürgerversammlung hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Diese Äußerung führte im Saal zu lautem Lachen was uns von der Feuerwehr tief betroffen gemacht hat. Nicht nur das wir uns von der Gemeinde und vor Allem vom Bürgermeister im Stich gelassen fühlen, sondern auch noch von den Bürgern ausgelacht werden, war schlichtweg zu viel. Wir engagieren uns seit vielen Jahren ehrenamtlich und mit viel Engagement für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger, deshalb müssen wir uns sicherlich nicht auslachen lassen“.

Noch weitere Reibungspunkte

Neben der Drehleiter gibt es in der Gemeinde noch weitere Reibungspunkte. Die Feuerwehr moniert beispielsweise seit zehn Jahren einen defekten Rauchabzug im Feuerwehrhaus. „Wir verstehen nicht, warum diese Sicherheitseinrichtung nicht repariert wird und warum die Gemeinde der jährlichen Prüfpflicht nicht nachkommt“, betont Tobias Schwaiger. Darüber hinaus werden ständig Maßnahmen zur Ertüchtigung des Feuerwehrhauses sowie nötige Beschaffungen nach hinten geschoben und die Feuerwehrleute vertröstet. „Jetzt sollen 2026 die nächsten Maßnahmen erfolgen, also erst nach der anstehenden Kommunalwahl“, so Michael Freitsmiedl.

„Lassen uns nicht alles gefallen“

Die beiden Verantwortungsträger haben am Donnerstagvormittag, 14. November 2024, in der Gemeinde ihren Rücktritt erklärt. In den Abendstunden des Freitags wurde die aktive Mannschaft davon unterrichtet. „Als wir es unseren Leuten gesagt haben, habe ich in viele erschrockene Gesichter geblickt, viele äußerten aber auch ihr Verständnis dafür, dass man sich als Ehrenamtlicher nicht alles gefallen lassen muss“, so Tobias Schwaiger und ergänzt, „es bleibt dennoch unser Wunsch, dass man als Gemeinde und Feuerwehr wieder einen gemeinsamen Weg findet und insbesondere der Bürgermeister Stephan Schneider wieder zu Gesprächen bereit ist“, so Tobias Schwaiger.

Kreisfeuerwehrverband Traunstein

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