Bayern: Neuer Lehrgang für Straßentunnel im Kreis Traunstein → Generalprobe für den Aubergtunnel erfolgreich
LANDKREIS TRAUNSTEIN (BAYERN) | SCHWEIZ: Zehntausende Fahrzeuge passieren täglich die heimischen Tunnelanlagen in Altenmarkt, Ruhpolding oder Surberg. Die Bauten sind zwar allesamt mit moderner Sicherheitstechnik ausgestattet, dennoch können Unfälle oder Brände nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden. Damit die Feuerwehren bestmöglich auf die Herausforderungen vorbereitet werden, besuchte eine Delegation des Kreisfeuerwehrverbandes (KFV) Traunstein zusammen mit Vertretern der Staatlichen Feuerwehrschule in Regensburg die „International Fire Academy“ in der Schweiz, um dort die fachlichen Standards zu erlernen. Daraus ist nun ein neues Lehrgangsangebot entstanden, dessen „Generalprobe kürzlich in Altenmarkt über die Bühne gegangen ist“.
Von Hubert Hobmaier und Stefan Lohwieser (KFV Traunstein)
„Wir möchten unsere Feuerwehren bestmöglich für Einsätze in diesen baulichen Anlagen vorbereiten“, sagt Kreisbrandrat Christof Grundner am Rande des kürzlich durchgeführten Pilotlehrganges und ergänzt, „Tunnel können die Schweizer in Europa einfach am besten und verfügen auch über optimale Trainingsbedingungen“. Eineinhalb Jahre Planung und Entwicklung stecken hinter dem jüngsten Lehrgangsangebot des KFV Traunstein, dass sich an speziell an alle Feuerwehren richtet, die für Einsätze an Tunnelanlagen vorgesehen sind.
Heimische Feuerwehrleute zum Training in der Schweiz
Sieben Feuerwehrvertreter aus der Region sind zusammen mit Mitarbeitern der Feuerwehrschule im Oktober 2023 eigens dafür ins schweizerische Balsthal gereist, um dort Erkenntnisse für die heimischen Feuerwehrleute zu sammeln. Eine Woche lang trainierten sie in realen Übungsstraßentunneln der International Fire Academy das Vorgehen bei Bränden und Unfällen.
Im Balsthal stehen zwei mehrere hundert Meter lange Tunnelanlagen zur Verfügung. Dabei können verschiedenste Einsatzsituationen absolviert werden. An 50 unterschiedlichen Fahrzeugen sowie gasbefeuerten Brandattrappen, die von einem gewöhnlichen Pkw bis zum Reisebus reichen, konnte vor Ort unter absolut realistischen Bedingungen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden trainiert werden.
Als Herausforderung zeigten sich unter anderem fußläufige Angriffswege von mehreren hundert Metern, die vor der eigentlichen Übung in voller Ausrüstung bewerkstelligt werden mussten. „Gerade die langen Gehstrecken zu den Einsatzstellen in voller Montur sind mit unserer Standartausrüstung nicht zu stemmen“, so der Lehrgangsverantwortliche Alexander Erber vom KFV Traunstein rückblickend auf die Erkenntnisse aus der Übungswoche.
Einsatztaktische Unterschiede bei der Tunnelbrandbekämpfung
Alexander Erber zeigt sich als Arbeitskreisleiter des KFV Traunstein für die „Unterirdischen Verkehrsanlagen und Gebäude mit großer Eindringtiefe“ verantwortlich. Zu diesen zählen sowohl Tunnelanlagen aber auch Gewerbe- und Industriebauten beziehungsweise Tiefgaragen. Einsätze in Tunnelanlagen erfordern daher ein anderes Vorgehen als die sonst übliche Herangehensweise bei Bränden und Verkehrsunfällen. Atemschutzgeräteträger gehen beispielsweise zu fünft vor und nicht wie üblich in Zweier- oder Dreiertrupps. In mehreren Stationsausbildungen sowie fordernden Einsatzübungen sammelten die Teilnehmer in der Schweiz wertvolle Erfahrungen, die nun in die heimische Ausbildung einfließen.
In der gesamten Ausbildungswoche richteten sie ihren Blick auf die Schwerpunkte „Erkundung“, „Suchen und Retten“ und „Brandbekämpfung. Bei den sich steigernden Schwierigkeitsgraden reichten die Anforderungen bis hin zum Vollbrand eines beladenen LKWs samt einem größeren Verkehrsstau im Tunnel, in dem neben mehreren Pkws auch weitere Lkws und sogar ein Reisebus verwickelt waren.
Kooperation mit der Staatlichen Feuerwehrschule Regensburg
Im Nachgang zur Übungswoche kamen die Vertreter des KFV Traunstein und das Schulpersonal aus Regensburg mehrmals zusammen, um verschiedene Planspiele zur Feuerwehrausbildung zu entwickeln. „Mit den Übungen am Reißbrett können wir sehr gut die Einsatztaktik sowie den Führungsvorgang simulieren, da man Einsatzsituationen im verkleinerten Maßstab wunderbar darstellen kann“, informiert Alexander Erber. Viele Stunden Transfer- und Entwicklungsleistung stecken hinter den Verantwortlichen. Aus diesem Grund war die Freude groß, dass kürzlich die umfangreichen Vorbereitungen in einen dreitägigen Pilotlehrgang getestet werden konnten. Das neue Angebot trägt den nüchternen Namen „MFA-Einsatzleiter Tunnelanlagen – Führungsstufe C“ und reiht sich als elfter Baustein in die Modulare Führungsausbildung (MFA) des KFV Traunstein ein.
In der Führungsstufe „C“ liegt der Schwerpunkt auf größeren Schadenslagen. Das aufbauende System setzt in dieser Stufe voraus, dass die Lehrgangsteilnehmer Führungsgrundlagen beherrschen aber auch eine Lagedarstellung sowie die Einsatzdokumentation sicher anwenden können. Diese wichtigen Grundlagen werden in den Modulbausteinen „A“ und „B“ angeboten. Der Lehrgang richtet sich insbesondere an Einsatzkräfte, die im eigenen oder im angrenzenden Schutzbereich einen Straßentunnel aufweisen und soll insbesondere die Führungskräfte mit den einsatztaktischen Besonderheiten vertraut machen, um so ein einheitliches und effizientes Vorgehen bei Schadensfällen zur erreichen.
Pilotlehrgang am Aubergtunnel in Altenmarkt
Inhaltlich befasst sich der Lehrgang mit den angepassten Führungsstrukturen und -funktionen in den weitläufigen Einsatzbereichen dieser Anlagen. „Eine Einsatzleitung auf Sicht ist bei diesen räumlichen Ausdehnungen unmöglich“, betont Alexander Erber und ergänzt, „daher ist Abschnittsbildung sowie der Einsatz von Funk, digitaler Lagekarte und einer Einsatzleitsoftware wie unserem EDP4 unverzichtbar“.
Der zweite Lehrgangsabschnitt befasst sich schwerpunktmäßig mit baulichen Gegebenheiten und Besonderheiten von Tunnelanlagen. Dabei werden auch die Löschwasserversorgung oder die Rettungswege bei Evakuierungen beleuchtet. Die Lehrgangsteilnehmer befassen sich außerdem mit den Feuerwehrplänen der jeweiligen Tunnelanlagen, damit sie die Bauwerke und deren Sicherheitseinrichtungen kennenlernen.
Als Abschluss werden die theoretischen Werkzeuge direkt in praktische Lehreinheiten umgesetzt. Mit einem Planspiel werden die Taktiken, beginnend bei der Anfahrt über eine optimale Fahrzeugaufstellung bis hin zur Abschnittsbildung, trainiert. Dabei üben die Teilnehmer insbesondere Einsatzmaßnahmen für Brände und Technische Hilfeleistungen. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit dem Vorgehen bei Gefahrguteinsätzen.
Eine praktische Übung direkt an der jeweiligen Tunnelanlage rundet das Lehrgangsangebot ab. Angeleitet von einer Übungsleitstelle müssen die Besonderheiten wie beispielsweise die An- und Abströmseite des Verkehrs, die Anfahrtswege und Aufstellflächen der Rettungskräfte oder die Koordination der nachrückenden Kräfte berücksichtigt und Schritt für Schritt abgearbeitet werden.
Eineinhalb Jahre Entwicklungsarbeit bis zum fertigen Lehrgang
16 Teilnehmer der Feuerwehren Altenmarkt, Trostberg, Stein und Rabenden sowie acht Vertreter der Kreisbrandinspektion und des KFV Traunstein absolvierten den Pilotlehrgang, um die letzten inhaltlichen Optimierungsmöglichkeiten für den „offiziellen Lehrgangsstart“ in diesem Jahr herauszufinden. Ziel ist es, dass der KFV Traunstein, den betroffenen Feuerwehren der Tunnelanlagen in Ruhpolding, Surberg und Altenmarkt ein jeweils angepasstes Ausbildungsangebot unterbreitet.
„Rund eineinhalb Jahre intensiver Arbeit liegen hinter den Mitgliedern des Arbeitskreises“, informiert Alexander Erber und zeigt sich über das Erreichte sichtlich stolz. „Wir alle haben viel Zeit und Herzblut in die Entwicklung gesteckt, daher freut es mich unheimlich, dass wir im Pilotlehrgang sehr viel positiven Zuspruch erhalten haben“. Insgesamt waren rund 20 Feuerwehrmitglieder im Rahmen der Fachbereichsarbeit an der Entwicklung beteiligt. Kreisbrandrat Christof Grundner betont hingegen, „niemand wünscht sich einen echten Einsatz und die Betreiber unternehmen alles, dass die Nutzung dieser Verkehrsanlagen sicher ist. Dennoch sollen die Feuerwehren für den Fall der Fälle vorbereitet sein“. Gleichzeitig wertet er die Kooperation zwischen der Staatlichen Feuerwehrschule Regensburg und dem KFV Traunstein als sehr erfolgreich und freut sich, „dass vom Schweizer Expertenwissen zukünftig auch andere bayerische Feuerwehren profitieren werden“.