MixVideobeiträge

Alarm → Eine Dokumentation über österreichische Feuerwehren → ab 4. April 2025 in ausgewählten Kinos

Mit „Alarm“ startet am 4. April 2025 ein Feuerwehr-Dokumentarfilm der anderen Art in ausgewählten heimischen Kinos. Regisseurin Judith Zdesar begleitete zwei Jahre die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neustadt. Der Österreichische Bundesfeuerwehrverband begleitete diesen Prozess. Feuerwehr.at nahm die Fertigstellung zum Anlass für ein Interview mit der Regisseurin.

Interview geführt von Andreas Rieger

Wenn Feuerwehrleute ins Kino gehen, erwarten sie sich oftmals Action, Flammen und Rauch. Dieser Film ist ganz bewusst anders. Warum? Was wolltest du zeigen bzw. aussagen?

Ein bisschen Action und Flammen gibt es ja schon auch. Aber mir war es wichtig etwas Universelles zu erzählen, was jede und jeder verstehen kann, egal ob Feuerwehr oder nicht. Jeder Mensch ist irgendwann mit heftigen Situationen konfrontiert, nicht in der Frequenz natürlich, aber trotzdem. Das war immer mein Fokus. Wie geht man mit dem Unvermeidlichen um? Und mit der Tatsache, dass sich ganz schnell plötzlich alles ändern kann. Kann man sich darauf vorbereiten? Das finde ich spannender als nur sensationalistische Bilder.

Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Film über die Feuerwehr in Österreich zu machen?

Judith Zdesar: Die Feuerwehr hat mich schon fasziniert, als ich als Kind vom Land neben einer Feuerwehr gewohnt habe und die Sirene mich regelmäßig aus dem Schlaf gerissen hat. Wenn ein Feuerwehrauto mit Blaulicht an mir vorbeigefahren ist, habe ich mir immer vorgestellt, wie das wohl gerade da drinnen aussieht. Wie es den Feuerwehrleuten geht. Es war immer auch ein bisschen die Vorstellung von Superhelden, die in die Gefahr hineinfahren. Nach Corona war ich als ängstlicher Mensch psychisch ein bisschen angeschlagen, dann kam auch noch der Ukrainekrieg. Ich hatte das Gefühl, dass es mir, und der Welt, den Boden unter den Füßen wegreißt. Da war das Bild der Feuerwehr plötzlich wieder da. Und die Frage: Wie machen die das? Wie gehen die um mit Krisen und Katastrophen?

Mit welcher Erwartungshaltung bist du in das Projekt gestartet, hattest du etwas konkret vor deinem geistigen Auge?

Am Anfang habe ich zunächst einmal gehofft, dass ich überhaupt eine Drehgenehmigung bekomme. Das ist ja nicht selbstverständlich. Dann habe ich gehofft, dass ich vielleicht bei Einsätzen dabei sein darf und ganz kühn war der Gedanke, dass die Kameradinnen und Kameraden da für mich mitfilmen, wo ich nicht dabei sein kann: im Feuer, im Wasser, ganz vorne mit dabei. Dass ich schon am ersten Tag meine eigene Feuerwehrjacke bekommen würde, habe ich wirklich nicht erwartet und dass wirklich alle mich mit so offenen Armen empfangen haben, das hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Inhaltlich war klar, dass ich keinen konventionellen Feuerwehrfilm machen will, sondern mich als Außenstehende in diesen Mikrokosmos hineinbegebe und vor allem auch das zeige, was zwischen den großen Einsätzen passiert. Mich hat vor allem das Warten auf den Alarm interessiert. Der Alltag. Das Wissen, dass es jederzeit irgendwo einen Notfall geben kann und wir schon in fünf Minuten auf der Autobahn bei einer Menschenrettung oder einem Großbrand sein könnten. Das war für mich auch der universelle Ansatz des Films, der alle Menschen betrifft – egal ob Feuerwehr oder nicht. Dass wir alle früher oder später mit einer Situation konfrontiert werden, die uns überfordert, die wir nicht erwartet haben. Der eine Anruf, der plötzlich kommt. Der Unfall. Der Blitz aus heiterem Himmel.

Wie gehst du ein solches Projekt allgemein an?

Anfangs versuche ich intuitiv ein Thema zu finden, dass mich berührt und persönlich betrifft. In diesem Fall war das das Nebeneinander von Alltag und die Katastrophe und der Umgang damit. Dann gibt es eine lange Recherchephase, Drehgenehmigungen müssen eingeholt werden, dann wird das Team zusammengestellt, ein Konzept wird geschrieben, Filmförderungen angesucht. Parallel dazu beginne ich schon während der Recherche zu drehen. Während der Dreharbeiten versuche ich möglichst überall dabeizusein und einzutauchen, möglichst ohne zu stören. Und am Ende bin ich dann noch einmal für einige Monate im dunklen Schnittraum und versuche wie eine Bildhauerin aus der Masse an Material eine Skulptur herauszuarbeiten.

Wie lange hast du an diesem Projekt gearbeitet?

Erste Kontaktaufnahme mit dem ÖBFV war im August 2022. Dann habe ich im November 2022 das erste Mal die FF Wiener Neustadt besucht. Danach kam Ende Jänner 2023 das OK für die Dreharbeiten von der Feuerwehr und von Förderstellen und ich war dann bis Sommer 2024 regelmäßig vor Ort und habe gedreht. Sommer und Herbst 2024 waren wir im Schnitt, seit Jahresbeginn wurde noch Tonmischung und Farbkorrektur gemacht und jetzt ist der Film endlich fertig. Also von der Idee bis zur Premiere fast drei Jahre.

Hast du dir die Feuerwehr so vorgestellt, wie du sie schlussendlich erlebt hast?

Nein. Ich glaube ich hatte sehr wenig Vorstellung von der Feuerwehr. Einerseits hat mich überrascht wie unglaublich professionell und genau die Übungen und Vorbereitungen bei der FF Wr. Neustadt ablaufen, aber auch wie viele komplexe Einsätze die FF Wr. Neustadt als Freiwillige Feuerwehr abwickeln muss. Auch die Vielzahl an Sonderdiensten hat mich überrascht, wie perfekt organisiert das ganze System funktioniert und wie viel unbezahlte Arbeit da hineinfließt. Andererseits hat mich die Offenheit der Menschen überrascht und wie reflektiert sie ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben. Was ich auch nicht erwartet hätte, ist, wie sehr ich in das Feuerwehrleben „hineingekippt“ bin.

Zeitweise war ich während der Dreharbeiten drei bis vier Mal in der Woche in der Zentrale, weil es so viele Ausbildungen und Übungen gab. Dazu kamen noch die Einsätze und hin und wieder Nachtbereitschaften. Irgendwann habe ich gemerkt: Feuerwehr hört nicht auf, wenn man die Zentrale verlässt oder die Haustür aufsperrt. Es hört auch nicht auf, wenn man schläft oder mit den Kindern spielt. Feuerwehr ist ein Zustand. Man ist dauernd am Handy, schaut: Was gibt es gerade? Was passiert? Soll ich hinfahren? 

Du hast während der Dreharbeiten auch einiges gesehen und erlebt, das nicht so einfach zu verdauen ist. Wie ist es dir persönlich dabei ergangen?

Ich war wenige Tage nach dem schlimmen Unfall auf der S4, bei der eine Mutter und ihre Tochter verstorben sind, in der Zentrale und habe gespürt wie nahe das den Feuerwehrmitgliedern geht. Sie haben immer wieder darüber gesprochen. Ich selbst bin jedenfalls vorsichtiger beim Autofahren geworden und es gab Tage, da war ich froh die Zentrale zu verlassen, weil auch die Geschichten oft emotional fordernd waren und die Vorstellung, so etwas auch nur am Rande mitzuerleben ab und zu viel war. Es war aber sehr schön zu sehen, wie sehr der Einzelne in so schwierigen Situationen auch in der Gemeinschaft Halt finden kann.

Was ist das für ein Gefühl, nach so viel Arbeit einen fertigen Film zeigen zu können?

Es ist natürlich sehr schön endlich etwas Fertiges zu haben und ich freu mich sehr mit der Feuerwehr gemeinsam den fertigen Film im Kino anzuschauen, in gewisser Weise war es ja unsere gemeinsame Arbeit. Aber es tut sich auch ein Loch auf nach so einer langen Zeit. Ich habe Jahre in diesen Film gesteckt, auch emotional. Ein bisschen bin ich ja im Herzen schon auch Feuerwehrfrau geworden in der Zeit, das kann man nicht einfach so loslassen. Das bleibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert